Dienstag, 28. Juni 2011

"Der Köbogen" - von Dieter Jaeger


Der „Köbogen“ war die vornehmste Adresse Düsseldorfs.

In diesen Tagen wird der Grundstein gelegt für die Libeskind-Bauten am Köbogen

Ein Blick zurück:

Im 19. Jh. kristallisierten sich allmählich gute und schlechte Wohnviertel heraus

Als vornehm galt es, in der relativ jungen Karlstadt zu wohnen (besonders Kasernenstraße zwischen Benrather- und Bastionstraße), dann in der neuen Friedrichstadt (Elisabeth - Friedrichstrasse), noch vornehmer um den Jägerhof herum, wo die preußischen Hoheiten Prinz Friedrich, dann Fürst Carl Anton von Hohenzollern residierten (sie waren eine Art neuer Jan Wellem). Die meisten Maler wohnten hier. Aber am vornehmsten galt, wer in der Hofgartenstraße wohnte: also in der Straße, die 1945 völlig verschwand und die demnächst „Köbogen“ heißen wird.

 Die Straße ging von der Königsallee bis zum Hofgärtnerhaus (heute Theatermuseum). Sie hatte zur Hofseite hin Gartenanlagen mit der Freimaurerloge im Hintergrund und der ersten Düsseldorfer Wellnesanlage, dem „Friedrichsbad“, weiter nördlich begann die „Pempelforter Promenade“, d. h. der „Alte Hofgarten“ von 1769 mit dem „Runden Weiher“(Jröne Jong).

Zur Vorderseite gab es  den „Neuen Hofgarten“ von 1804 mit dem Mühlenweiher „Landskrone“.

Die Straße war also von zwei Parkanlagen und zwei Seen umrahmt. Schöner ging  es nicht.

In dieser Straße wohnten: der Hofmarschall des Prinzen Friedrich: Carl von Pritzelwitz, der sein Haus an den Bankier Christian Gottfried Trinkaus verkaufte, der Malerfürst Wilhelm von Schadow, der hier auch starb, der Fabrikant Franz Haniel, der mit seinem genialen Ingenieur Heinrich Lueg ganz Oberkassel aus dem Boden stampfte, Friedrich Wilhelm Brewer, der Bergwerkbesitzer, der auch das Gut der Jacobis gekauft hatte und damit die Lotterie der darob empörten Maler auslöste, die mit dem Lotteriegewinn den Jacobibesitz zurückkauften und so den Malkasten schufen.
 
Verfolgen wir noch einige Biographien genauer:

Trinkaus war als Sohn eines Haushofmeisters Ende des 18.Jh durch Heirat an das Erbe der damals wichtigsten Kaufleute Jaeger/ Pfeifer gekommen. Er schuf damit die erste wichtige Düsseldorfer Bank. Er war Vizepräsident der Handelskammer, die die Dampfschiffahrt und die erste Eisenbahn  ermöglichte. Als Besitzer von Schloss Elbroich gründete die Familie mit den eingeheirateten Heyes später im angrenzenden Gelände die „Industriegesellschaft Reisholz“ IDR und damit den größten Düsseldorfer Industriekomplex.

Der Kohlenhändler Haniel aus Ruhrort und sein Ingenieur Lueg haben nicht nur das Ruhrgebiet mit den ersten Tiefschächten revolutioniert. Die Haniel-Lueg Dynastie hat auch Düsseldorf entscheidend geprägt. Ihre  Lokomotivfabrik Hohenzollern entwickelte den Standort Grafenberg bis in unsere Tage. Die erste Brücke (Oberkasseler Brücke) geht auf sie zurück und damit der ganze Stadtteil Oberkassel. Sie haben die beiden großen Ausstellungen von 1880 und 1902 organisiert und damit die Stadtteile Zoo und Golzheim geschaffen.

Alle diese Leute wohnten in der Hofgartenstrasse.

Sie wird nur noch ein Fußweg im Hofgarten sein. Schade, die alte Hofgartenstrasse ist für immer dahin.
 

Zum Weiterlesen.
Else Rümmler, Erinnerungen von Düsseldorf und der Umgebung (Album von Caspar Scheuren), Berlin 1975.

Mittwoch, 22. Juni 2011

KÖ WEST ein neues Luxusviertel entsteht - von Dieter Jaeger

Die Bankseite galt lange als das Stiefkind der Kö. Autopuff nach dem Krieg, Autopark heute, nur zum Geldholen brauchbar.

Das soll jetzt anders werden:

Der Anfang wird am schon immer hochpreisigen Nordende gemacht. Vom Corneliusplatz bis zur Trinkausstraße entsteht ein der Ostseite ebenbürtiger, breiter Boulevard ohne schräg parkende Autos. Vom Breidenbacher Hof bis zur Trinkaus Galerie reihen sich dann höchstwertige Luxushäuser. So z.B Kultlabel Abercrombie &Fitch, das es nur noch in London, Paris und Mailand gibt.

Gegenüber liegen Tommy Hilfiger, Escada, Vuitton, Bulgari, Gucci, also die creme de la creme.

Am Südende der Kö liegen Benetton, Esprit, HM, Auktionshaus, also eher so genannte „Frequenzbringer“.

Die Kö war schon immer merkwürdig: Wir gehen den Berg hinunter vom Graf Adolf Platz zum Corneliusplatz, aber der seitliche Kögraben fließt den Berg hinauf von Cornelius nach Graf Adolf.

Und jetzt  machen wir mal eine Geld Tour: Vom nicht so teuren Graf Adolf zum teuersten Cornelius. Wir bewegen uns also von Süd nach Nord in immer höhere Kreise.

Das war einst genau umgekehrt.

Am Südende der Kö lag seit 1838 der Bahnhof, der mehr und mehr den Mittelpunkt der Stadt nach Süden verschob (Königliche Post, Telegraphenamt, Theater, Hotels, Amüsement, Friedrichstadt).

Am Nordende der Kö, deren Westseite brutal „Kanalstraße“ hieß, lag seit 1836 die Eisengießerei Franz Schimmelbusch. Also statt Hilfiger, Bulgari, Eickhoff eine laute, stinkende Eisengießerei.

Dieser Schimmelbusch wird allerdings erster Präsident der 1831 gegründeten Handelskammer. 1838 organisiert er in der Flingerstr. 20 (heute Photo Söhn) eine der ersten Düsseldorfer Ausstellungen (Zitat :„inländisches Stroh zu Damenhüten jeder ausländischen Qualität in Parallele steht“).

Er wird die Belgier ab 1852 nach Oberbilk bringen, ihre Bewerbungen übersetzen und gilt somit als der Urvater der Düsseldorfer Eisen und Röhrenindustrie.
 

Was das Ausgehen betrifft, hatte die Bankseite allerdings schon immer die Nase vorn. Hier liegen „Sams West“ und „NT“,  und wer „Bei Tino“ über dem Piano abhängt, a la Michelle Pfeiffer in „Die fabelhaften Bakerboys“, der ist ganz oben angelangt und kann mit Udo Jürgens im Duett singen.


Zum Weiterlesen:
Herbert Engst, Düsseldorf-die Ausstellungsstadt, Düsseldorf 1949

Sonntag, 19. Juni 2011

Veranstaltungshinweis

Wulf Metzmacher, Mitglied der Geschichtswerkstatt und passionierter Stadtkenner und -erklärer, bietet im Juli die Fortsetzung seiner erfolgreichen Exkursion "Das Ruhrgebiet - neu gesehen" an. Bereits am 26. März fuhr Wulf Metzmacher mit Interessierten durch das Ruhr-revier und zeigte unterschiedliche Stadtlandschaften, industrielle "Leuchttürme" und Ankerpunkte. Bei der Tour am 2.Juli geht es schwerpunktmäßig um den Bergbau, doch auch andere Aspekte werden nicht vernachlässigt. Interessierte können sich bis zum 27. Juni bei der VHS Düsseldorf für diesen Termin anmelden.

Dienstag, 14. Juni 2011

"Vom Bollwerk zum Boulevard - Urmauer ausgebuddelt" von Dieter Jaeger

Vom Bollwerk zum Boulevard - Urmauer ausgebuddelt
 

Bei Kanalarbeiten in der Ursulinengasse wurde neulich die erste Stadtmauer von 1288 entdeckt. Um 1400 abgerissen und zugeschüttet, hat sie seitdem kein Mensch gesehen.

Eine kleine Sensation, man hatte sie schon für eine Mär gehalten. Nein, keine Hammei, keine Hecke, kein Wall, unsere Stadt besaß von Anfang an eine Mauer aus Basalt und Ziegel, 80 cm breit, vielleicht 5m hoch, in den „Eder“, eine kleine Rheinbucht nördlich der Ritterstraße, hineingebaut. Es roch faulig in der Baugrube.

2007 zerbröselte die zweite Mauer von 1394, die im Zuge der Gasse „Ratinger Mauer“ gefunden wurde, zu Staub. Bei U-Bahn Bauten unter dem Breidenbacher Hof (2006-09) war man umsichtiger. Die Reste, die schon zum Festungsbau gehören, sind im Untergeschoß des Hotels zu besichtigen.

Bei den Arbeiten zum Köbogen wurden 2009/10 /11 Teile der Mauer von 1734 entdeckt(man kennt das genaue Datum wegen eines berühmten Bildes aus diesem Jahr).

Vorbei die Zeiten, als wir am Rathausufer in den Keller des alten Internet Cafes „Garden“ kletterten, um die Mauer von 1394 zu berühren. Es war eine elende Rumpelkammer, nur Düsseldorf Freaks bekannt. Demnächst werden wir alle drei Mauern im Heine U-Bahnhof besichtigen können. Original werden allerdings nur der „Garden“ Keller und das Untergeschoss vom Breidenbacher Hof bleiben.


Die Reste  bei der „Ratinger Mauer“ und jetzt Mauerreste beim Köbogen?

Wie das? War die Stadtmauer 150 m breit? Genau so ist es. Allerdings war es nicht eine einzige Mauer von dieser Dicke, sondern eine Vielzahl von hintereinander geschachtelten Bauwerken und Gräben: das Mauersystem einer Festung. 

Mit der Erfindung der Artillerie um 1450 wird aus dem „Rüstmeister“ der „geniale“ „Ingenieur“, der die runde Stadtmauer zur eckigen Festungsmauer umwandelt.

Düsseldorf hatte 12 „Bastionen“, auf denen die Kanonen standen. Vor jeder Bastion stand, durch einen nassen Graben getrennt, die  „Contergarde“. Die Mauer zwischen zwei Bastionen: die „Kurtine“ war durch einen vorgelagerten  „Ravelin“ geschützt, vor dem wiederum eine „Contergarde“ stand.

Die jetzt gefundenen „Bollwerke“, aus denen die Franzosen den „Boulevard“ Napoleon machen (Heine Allee), liegen im Zuge der Elberfelderstraße. Sie führte genau zur Mitte der Kurtine, also zum Flinger Stadttor (Mc Donalds, Ecke Bolkerstr/Heine Allee). Ein Tor musste immer in der Mitte einer Kurtine liegen.

Der interessanteste Fund weist steinerne Rundbögen auf: Es war die Brücke, die durch den nassen Graben vom Flinger Ravelin zur Flinger Contergarde führte. 

Die Düsseldorfer nahmen das ganze Mauergedöns und Kriegsgetöse mit rheinischer Gelassenheit. Trotz strenger Verbote entstanden immer wieder Gärten und Gartenhäuschen auf dem Mauervorfeld.

Als die Mauer 1801 fiel, schuf der Oberbürgermeister Schnabel auf den Trümmern einen geräumigen „Lustgarten“ mit „Lustpartien“ und „Lusthäusern“. Später nannte man den Ort „Königsallee“.
 

Zum Weiterlesen:
Edmund Spohr, Düsseldorf, Stadt und Festung, Düsseldorf 1978.


Dienstag, 7. Juni 2011

"Die KIRMES eine Räubergeschichte" von Dieter Jaeger

Jedes Jahr im Juli, genauer in der dritten Juliwoche, noch genauer am 23 .Juli feiert Düsseldorf „Die größte Kirmes am Rhein“.

Eigentlich müsste sie „Apollinaris-Kirmes“ heißen. Der Heilige Apollinaris ist der Stadtpatron von Düsseldorf und am 23. Juli feiert die Stadt seinen Namenstag.

Wer war dieser Apollinaris? Ein schöner apollogleicher Mann griechischer Herkunft, Jünger des Petrus, der schließlich als Bischof von Ravenna im 2. Jh einer der ersten christlichen Märtyer wird. Reinald von Dassel, Erzbischof von Köln, bringt 1164 als Siegesbeute von einem Italienfeldzug die Reliquien der Heiligen drei Könige aus Mailand und die des Apollinaris aus Ravenna nach Köln. Bei Remagen weigert sich das Schiff, weiterzufahren, bis die Gebeine des Apollinaris den Benedektinermönchen der Stadt Remagen überlassen werden.



Wilhelm I., erster Herzog von Jülich Berg, mit Hauptsitz Düsseldorf, raubt die Reliquie den Benedektinermönchen 1380 bei einer Fehde gegen Siegburg und bringt sie in die Lambertuskirche. Wilhelm macht Düsseldorf zu einem wichtigen Pilgerort.  Papst Bonifaz IX sprach die Reliquie des Apollinaris den Düsseldorfern zu und 1394 wird Apollinaris zum Stadtpatron und feierlich  seit dieser Zeit alljährlich durch die Altstadtstrassen getragen

Ein Jahr vor dem Raub hatte der Ritter Gerhard von Einenberg auf Burg Landskron bei Ahrweiler das Haupt des Heiligen Apollinaris sichergestellt (im Apollinarisschrein in der Lambertuskirche fehlt also der Kopf) Eine Apollinarisstatue stand deshalb in Ahrweiler an einem Weinberg. 1852 merkt der Winzer dieses Weinberges, dass der Ahrwein zu sauer, das Mineralwasser des Berges dagegen excellent ist. „Apollinaris, the queen of tablewaters“ war geboren.

Seit 1394 tragen die Sebastianus- Schützen den Heiligen durch die Stadt.  Die Schützen feiern ihren obersten Beschützer: den Heiligen Apollinaris. Dieser älteste kirchlich städtische Verein, 1435 erwähnt, aber vielleicht schon seit 1316 bestehend, entstand aus einer christlichen Bruderschaft, die aber auch zur Stadtverteidigung beitrug in militärischen Übungen des Bogenschießens (daher ihr Heiliger: der durch Pfeile getötete Märtyrer Sebastian). Der weltliche Herrscher sah das gern. Jan Wellem war zweimal Schützenkönig, Jakobe von Baden stiftete ein wertvolles Schützensilber. Wer dreimal Schützenkönig war, brauchte sein Leben lang keine Steuern mehr zu zahlen



Kirmes kommt von Kirchmesse, Kirchweihe, sie feiert die Einweihung der Kirche und natürlich den Heiligen, dem die Kirche geweiht ist, also Apollinaris.

Die Kirmes ist das höchste Fest einer Stadt, denn sie feiert denjenigen, dessen Schutz und Heil sie sich anvertraut hat.

Wir feiern jedes Jahr im Juli einen Apoll von einem Mann, das berühmteste Mineralwasser der Welt, die größte Kirmes am Rhein, vielleicht eines der größten Volksfeste überhaupt, im Grunde  aber feiern wir auch eine Räubergeschichte.



Zum Weiterlesen: G. Aders, Von den Anfängen des Düsseldorfer Schützenwesens, in Heimatblätter Jan Wellem 1959, Nr 9, 10, 11