Montag, 18. August 2014

Das alte "Stadthaus" wird Hotel und Museum


An beiden Einrichtungen wird noch gearbeitet, aber die Vorspiele sind vorbei. Das hochgradig denkmal-geschützte Stadthaus in der Düsseldorfer Altstadt (Mühlenstr.31) wird zum Luxushotel „De Medici“. Das benachbarte Museum „Verfolgung und Widerstand“ wird renoviert.

Wer kennt die Ämter, nennt die Namen…

Das Hotel könnte viele Namen haben: „Zum Kloster“ oder „Zum Kurfürst“, „Zur Wache“, „Zur Kanzlei“, „Zur Sternwarte“, alle diese Funktionen  hat es inne gehabt, aber originell wäre auch: „Petit Paris“, denn in diesem Haus wurde die Formulierung „Klein-Paris“ erfunden, von einem Staatssekretär Napoleons. Aber gemeint waren nicht Chic und Charme, sondern Chaos und Schlamperei „wie in Paris“.
Die Mühlenstraße war einstmals ein Weg im breiten Wiesental der Düssel. Sie markierte das südliche Ende der ersten mittelalterlichen Stadt, der eigentlichen „Altstadt“.
Das Wiesengebiet zwischen Mühlenweg und Düssel wird früh zum größten Gebäudekomplex der Kurfürstlichen Regierung. Es beginnt mit einem Marstall und einem Komödienhaus, später entwickeln sich Reitplatz und Tummelhaus (Reitschule), auch Oper und Statthalterresidenz.
Dann kommen die Jesuiten. Sie erwerben zwischen Mühlenstraße, Mertensgasse und Stadtmauer ein Riesengrundstück und bauen darauf ihre Andreaskirche und ihr Kloster (ab 1622), einschließlich Gymnasium. Auf dem Dach wird sogar eine Sternwarte errichtet, die auf den Rektor des Jesuitenkollegs, den Mathematiker Pater Ferdinand Orban, zurückgeht, ein Beichtvater Jan Wellems. Berühmt wird die Düsseldorfer Sternwarte allerdings erst durch den Astronomen Johann Friedrich Benzenberg, der sie 1842 nach Bilk holt. 1773 wird der Jesuiten-Orden aufgelöst, die Schule kommt zu den Franziskanern in die Schulstraße.
Das Gebäude wird 1788 zur Kurfürstlichen Kanzlei, 1824 zur Preußisch Königlichen Regierung, umgebaut nach Plänen des berühmten Berliner Architekten Karl Friedrich Schinkel.
1889-91 wird der Schinkel Bau an der Mühlenstraße um einen Anbau erweitert (Andreasstr.2-4). Der gesamte Komplex besitzt jetzt drei Innenhöfe. Daneben hält sich nur noch Prinz Karneval Oxenfort mit seiner „Tante Anna“ und die Pennälerkneipe „Zwiebel“.
1926-33 ist der westliche Anbau Polizeipräsidium, dann Hauptmeldestelle der Polizei. 1939 werden große Luftschutzkeller gebaut, die bald als Zellen und Folterräume der Nazis genutzt werden. Folgerichtig  entsteht hier 1986 das Museum „Verfolgung und Widerstand“.
1946 benutzt die Stadtverwaltung das gesamte Haus, weil fast alle anderen noch halbfesten Häuser von den Briten beschlagnahmt worden waren. Erst jetzt bürgert sich der Name „Stadthaus“ ein.
Goltstein, Hompesch, Murat, Beugnot, Nesselrode, Gruner, Napoleon: fast alle berühmten Männer um 1800 saßen in dem alten Jesuitenbau. Die Franzosen nutzen heute den Innenhof gerne für ihren „14.Juli“, weil in der Franzosenzeit meist von hier regiert wurde.
Fazit: Wichtigstes größtes Kloster der Stadt, einziges Gymnasium, Kanzlei, Regierung, Sternwarte, Polizei und Kerker, Stadtverwaltung, Luxus-Hotel. Was für ein Haus!

Wunder passieren immer wieder

Die beiden letzten Jesuiten im Gespräch. Der eine hat ein Zehngroschenstück in der Hosentasche gefunden. „Mirakel sähste daför“, denn er wisse genau, dass er keinen Pfennig  besaß; worauf der andere: „Dat es en schön Mirakel, du häst ming Butz aan“.
Autor: Dieter Jaeger  |  Redaktion: Bruno Reble  |  © Geschichtswerkstatt Düsseldorf

Donnerstag, 17. Juli 2014

NEMO kommt


Nein, nicht der Clown ist gemeint, sondern das Bauprojekt in der Passage zwischen  Neusser- und Moselstraße. Hier entsteht ein riesiger Gebäudekomplex mit luxuriösen Eigentums­wohnungen, Tief-Garagen, Garten, Turm. Geplant ist eine Verbindung, die direkt auf das Parlamentsgebäude am Rhein führt.

Das Mannesmann-Parkhaus „muss fott“

Einziger Schönheitsfleck in der stilvollen Perspektive: das hässliche Parkhaus, eine Bausünde aus den sechziger Jahren. Schon lange wollte man es abreißen. Jetzt ist der Weg wohl frei für die Abrissbirne.

Früher kein schöner Ort

Zwischen der uralten Neusser Straße und dem Rheinufer, heute Stromstraße, verliefen früher die Gleise, die eine Verbindung herstellten zwischen Düsseldorf und Neuss; genaugenommen ab 1870 mit dem Bau der Hammer Eisenbahnbrücke durch die Bergisch-Märkische Eisenbahn. Der Hauptbahnhof dieser Gesellschaft stand damals am benachbarten Graf-Adolf-Platz.
Zwischen der Bahn und der Moselstraße (früher Hubertusgasse) gab es zunächst die Dampfsägemühle von Wilhelm Wiens, dann seit 1880 die Irrenanstalt; heute – einen Steinwurf entfernt - die Zellen des Polizeipräsidiums; wahrlich kein gemütlicher Ort.

Das Tor zur Glückseligkeit

Das Projekt NEMO erinnert an einen alten Durchgangsweg von der Neusserstr 27 zur Moselstraße. Carl Reissdorf betrieb hier in den 30iger, 40iger Jahren eine Tankstelle. Er selbst fuhr als einer der ersten auf einer Harley Davidson stolz durch die Stadt. 1945 erlebte seine Tochter Ernie in diesem sogenannten „Torweg“ das Kriegsende.
Originalton Ernie Klaassen: „Durch unseren Torweg konnte man direkt zum Berger Hafen durchlaufen. Eines Tages hieß es, im Hafen gäbe es was zu essen. Da haben wir die Schiffe regelrecht geplündert. Unter Lebensgefahr, die Amis schossen vom Oberkasseler Ufer aus, sind wir mit der alten Zinkbadewanne rüber; Wein und Sekt rein und dann schnell zurück; 2.00 Uhr nachts; runter in den Keller, haben wir uns ein bisschen Freud‘ gemacht.
Autor: Dieter Jaeger           Redaktion: Bruno Reble                   © geschichtswerkstatt-duesseldorf.de

Sonntag, 6. Juli 2014

Aus für LES HALLES


Traurig, aber wohl wahr! Das Szene-Lokal "Les Halles" schließt Ende 2014 endgültig seine Pforten in Düsseldorf. Der Besitzer hat das Grundstück an einen Investor verkauft. Geld regiert die Welt.

Es ist zum Haare raufen

Ein steinernes, seelenloses Büromonster soll an der Stelle hochgezogen werden, wo 14 Jahre lang lecker gespeist und gelacht wurde, getanzt und getrunken; In einer liebevoll eingerichteten Halle des ehemaligen Derendorfer Güterbahnhofs.
Les Halles war mehr als ein beliebiges Restaurant. Es war der Ursprung für die Dreibrückenstadt auf dem alten Güterbahnhof, der Ursprung für das „Quartier Central“, das französische Viertel in Düsseldorf – „le petit Paris“.

O lá lá, Fronkreisch, Fronkreisch!

Hier gibt es Begriffe, die in keinem Wörterbuch stehen z.B. „Quartis  d´ile“ - Verbindungsglied zwischen den Chic-Vierteln Zoo, Derendorf und Pempelfort. Taufpate war 1995 der Trödelmarkt im alten Bahnhof „Les Halles“, den die Düsseldorfer liebevoll [läsalles] aussprechen. Der Name stammt von „Les Halles“, der alte Großmarkt im Zentrum von Paris mit Rotlicht-Viertel in der Rue St Denis. Und bei uns die Hallen neben dem Güterbahnhof, der Puff in der Rethelstraße; das passt ja prima zusammen.

Der Bauch von Düsseldorf

Der Derendorfer Güterbahnhof wurde ab 1863 angelegt, als man den „Zentral Personenbahnhof“ am heutigen Konrad-Adenauer Platz gebaut hatte und man eine Trennung von Personen und Gütern für angebracht hielt. Die riesigen Dampfkessel von Oberbilk/Flingern wurden bis Derendorf mit sechsspännigen Pferdewagen transportiert.
An der Rethelstraße (damals „Ahnfeldstraße“) entstand 1874 der dritte Personenbahnhof, der so genannte „Rheinische Bahnhof“. Die heutige Franziskusstraße von 1913 zeigt noch den kerzen-geraden Verlauf der alten Gleise. So wurde die Gleisstrecke unter der Franklinbrücke Deutschlands befahrenste Strecke überhaupt.
Der nördlichste Teil des Geländes hat im Dritten Reich eine unselige Rolle gespielt, als jüdische Mitbürger hier mit Viehwaggons in die Vernichtungslager transportiert wurden.
Als der Güterbahnhof 1985 geschlossen wurde, entstand eine Alternativkultur mit szenigen Kuschelecken an der Schirmerstraße rund um das Lokal „Les Halles“.
Vielleicht wird man sich jetzt wieder an die Urstraßen erinnern, die vor der Eisenbahn das heutige Zooviertel mit der Innenstadt verbanden: die Düsselthaler Straße führte nach Düsselthal, zu einem düsteren, 1701 entstandenen Trappistenkloster (heutige Graf Recke-Straße). Auch die zweite Urstraße, die heutige Herder-/ Wielandstraße, hieß früher „Mönchweg“ und führte zum Kloster.

Wo die Galgenvögel lauern

Auf dem Weg zum Kloster kam man an der „Richtstätte“ vorbei (heutiger Schillerplatz), wo die Gehenkten im Winde baumelten.
„Galgengässchen“ hieß ein kleiner Weg von dort aus, der an der heutigen „Bar Olio“ und an „Les Halles“ vorbeiführte. Vielleicht ein szeniger Name für das „Quartier Central“. Grusel ist in.
Autor: Dieter Jaeger                      Redaktion: Bruno Reble

Samstag, 21. Juni 2014

"Toni, Du bist ein Fußballgott!"

von Dieter Jäger
Eigentlich hatte es eine Straße werden sollen: in Unterrath „Auf den Geisten“, benannt nach dem Düsseldorfer Fußball-Idol Toni-Turek. Die Straße war da, zumindest auf dem Reißbrett, aber es fehlten die Häuser. Die Siedlung wurde nie gebaut und so mussten sie wieder entfernt werden, die Schilder mit der Aufschrift „Toni-Turek-Straße“, die 2004 mit großem Tam-Tam vom damaligen OB Erwin angebracht wurden.

Nun also ein  Denkmal

genauer eine Bronze-Plastik, 4,50 m hoch. Sie zeigt den Teufelskerl, lässig gelehnt an einen Torpfosten in Form einer "Nummer 1"; Einweihung am 4 Juli 2014 zum 60.Jahrestag eines Wunders, wenn die Fußball-Weltmeister von 1954 vor der Düsseldorf Arena gefeiert werden sollen. Hochrangige Torwartlegenden haben ihr Kommen angesagt. Schaun wir mal.

"Tor, Tor, Tor!" 

und „Toni, Du bist ein Fußballgott“. Es gibt Worte, die bleiben. In der jungen Bundesrepublik gab es zwei Wunder: das Wunder von Lengede und das Wunder von Bern. Toni Turek war damals der beste Torwart.
Am 30. April 1954 gewinnt er im Berner Wankdorf-Stadion gegen Ungarn und für Deutschland die Weltmeisterschaft. Dabei war er kein echter Düsseldorfer, sondern ein Eingekaufter vom SSV Ulm. Sein Stammverein war Duisburg 1900.
Seine Stärke war eine unglaubliche Reaktionsschnelligkeit. Er konnte an der Schusshaltung der Stürmer erkennen, dass der Ball nicht das Tor treffen würde. Mit stoischer Ruhe sah er zu, wie der Ball Zentimeter am Tor vorbei zischte; nervenaufreibend, selbst für Sepp Herberger. „Das sehe ich schon, Herr Herberger", war dann sein Kommentar.
Es war die Zeit des Wiederaufbaus. Länderspiele waren Volksfeste. Trost für die zerschlagene Seele. Toni Turek verkörperte für viele den Neuanfang. Aus Kellerkindern waren Wirtschaftswunderkinder geworden. Das Wunder von Bern gab den entscheidenden Anstoß.
Turek bestritt 133 Spiele für Fortuna Düsseldorf. Ach Fortuna! Glück und Glas, wie leicht bricht das? Vielleicht der falsche Name; aber warum sollte ausgerechnet die Glücksgöttin aus der Antike die Namenswahl beeinflusst haben?

Brotfabrik Fortuna

Eine Brotfabrik hieß so und ein Lieferwagen dieser Firma soll gerade um die Ecke gebogen sein, als Turner aus Flingern nach einem neuen Vereinsnamen suchten.
Flingern ist Düsseldorfs Aschenputtel, der Hinterhof des Glücks. Nach Flingern kam das große Gaswerk, dann die Elektrizitätswerke, später die Müllverbrennung. “Licht und Wärme aus Flingern“, hieß es euphemistisch, aber die Flingeraner hatten am wenigsten davon. Die erste „Elektrische“ fuhr weit an ihnen vorbei.
Zur Beruhigung der Arbeiterbevölkerung in diesem Viertel vergab die Stadt Straßennamen, die Bäume, Blumen und Märchenfiguren darstellten, wie die später berüchtigte „RAF“- Kiefernstraße, während nebenan im vornehmen Zooviertel die deutsche Bildung dominierte (Schiller, Goethe, Herder).
Und die ersten Schlachten der Fußballjonges aus Flingern gingen vor allem gegen die feinen “Lackschuhpinkel“ vom DSC, aus dem später die DEG werden wird.
Ihr Fußballplatz entsteht, wie der Name „Flinger Broich“ besagt, auf einem Sumpfgelände, das niemand haben wollte. Angefangen hatte alles mit dem sportlichen Amtsrichter Emil Hartwich, auf den die Hälfte der Düsseldorfer Sportvereine zurückgeht. Er hatte mit seinem Buch „Woran wir leiden“ dazu aufgerufen, die Arbeiterjugend weg von der Straße und vom „Suff" zur Körperertüchtigung zu erziehen. Die Fortuna hatte in der wilhelminischen Zeit 1895 als „Turnverein Flingern“ angefangen. Fußball war verpönt als „Fußlümmelei“ oder „Englische Krankheit“. Hartwich hatte gerufen: “Werft den Fußball auf den Turnplatz!“.
Die Fortuna hat alle Höhen und Tiefen des Fußballs erlebt: 1933 Deutscher Meister, 1979 Deutscher Pokalsieger, sieben mal im Pokalendspiel, aber auch immer wieder Abstieg in die unteren Zonen bis zu den Amateuren.
Berühmte Namen, wie der Rekordnationalspieler Paul Janes ( 71 Spiele), Mauritz, Juskowiak, Jakob „Knöd“ Bender,  Kobierski, Jupp Derwall, die Allofs-Brüder, Gerd Zewe.
Heute singen die Düsseldorfer wehmütig: “Wenn der Janes und der Knöd hütt noch Fußball spele döt“.

Samstag, 14. Juni 2014

Wer wird Oberbürgermeister?

von Dieter Jaeger
Zum 37.Mal wählt Düsseldorf am 15.Juni 2014 seinen Oberbürgermeister. Der Erste wurde am 1.Dez 1813 ernannt. Es war der Beigeordnete Heinrich Schnabel. 
Nach Ansicht der preußischen Regierung muss es schwierig gewesen sein, „ein qualifiziertes Subjekt zu dem gerade gegenwärtig höchst lästigen Geschäft eines Bürgermeistes von Düsseldorf zu gewinnen“. Dementsprechend groß war der Verschleiß zu Beginn der Preußischen Herrschaft. Alle halbe Jahre ein neuer OB.

Redlich, mutig, klug

Gleich die erste Wahl 1815 geriet zum Spektakel. Wählen durften ohnehin nur steuerzahlende (männliche) Bürger, wobei die Reicheren mehr Stimmen hatten als die weniger Reichen. Die heftig geführte Schlammschlacht zwischen einem Protestanten und einem Katholiken ging in die Geschichtsbücher ein.
Deshalb wurde bei den nächsten Wahlen ein Tugendkatalog aufgestellt. So sollten potentielle Bewerber über ein gesetztes Alter verfügen, begütert, gebildet und Familienvater sein, ein guter Haushalter im eigenen Haus, beliebt bei Bürgern, außerdem redlich, klug, mutig, bescheiden, sanftmütig, wohltätig und religiös, doch duldsam.

Als die Amtshandlungen mit einem Gelage endeten

Vor 1813 gab es nur einfache Bürgermeister und das Leben schien einfacher. Der Bürgermeister herrschte über 4 Schöffen, die vom Fürst bestimmt und 4 Räte, die vom Bürger gewählt waren.
„Schöffen“ waren seit Karl dem Großen die Urteilsfinder, „Räte“ konnten intelligent raten, d.h. “Runen lesen“ und dann „Ratschläge“ geben.
Allerdings wurde daraus bald ein Familienclan der immer gleichen Apotheker, Wirte und Weinhändler, zumal alle Amtshandlungen immer mit einem großen „Gelage“ im Wirtshaus endeten.
Der  Meister der Bürger (lat. Magister) nannte sein Kollegium bald „Magistrat“. Der Meister vertrat die Stadt im „Landtag“ oft gegen seinen Fürsten, von dem er im herrschaftlichen 17. und 18. Jahrhundert mehr und mehr geknebelt wurde.
Der Bürgermeister war der wichtigste Mann der Stadt. Er setzte die Preise fest und kontrollierte die Einnahmen und Ausgaben. Wenn er auch nur das Doppelte eines Stadtrates bezog, so kam er durch die vielen Nebeneinkünfte auf das Vierfache seines Gehalts (Hebegelder bei Steuerfestsetzungen, Diäten bei Landtagen, Gelder für Prüfungen). Er wurde so mächtig, dass die Bürger bald öfter gegen ihren Magistrat als gegen den Fürst rebellierten.

Die Moral von der Geschicht‘

Der letzte Bürgermeister, französisch „Maire“ genannt, ist in die Lokal-Geschichte eingegangen.
Auf die 100 Fragen der französischen Verwaltung über seine Stadt Düsseldorf antwortete Maire Pfeill 1806 wahrheitsgemäß  zur Frage 73:  “Was ist der moralische Hang der Einwohner?“
„Die allgemeine Stimmung der hiesigen Einwohner ist in einem vielleicht zu hohen Grade zum Genuss eines jeden geselligen Vergnügens und der Zerstreuung bereit“.

Mittwoch, 11. Juni 2014

"Quartier M“: hoch hinaus mit 100-Meter-Turm

von Dieter Jäger
Quartier Central, Quartier Boheme, Quartier Andre, jetzt Quartier M,  die Quartierssuche geht weiter, auch wenn frankophone Zungen lieber von einem [kartjee] sprechen, wenn sie ein „Viertel“ meinen.
Auf dem ehemaligen Postgelände Erkratherstraße entsteht das neue „Quartier M“ für Büros, Wohnen, Gewerbe; Hauptattraktion ein 100 Meter Turm des Star-Architekten Jürgen Mayer H. - stürmisch gefeiert von der Presse und ausgezeichnet mit dem „Mies- van- der- Rohe Preis“, wie Perrault, Foster und Chipperfield.
Von 1895 bis 1937 stand hier die Brauerei Höfel, daneben schon seit 1865 die Maschinenfabrik Schieß. Es handelte sich um das berühmte „Oberbilker Gleisdreieck“, in dem die ältesten Oberbilker Industrien lagen. Der Stadtplaner Stübben legte 1885 in den nördlichen Schenkel, also in die jetzige Worringerstraße, den neuen Hauptbahnhof. Auf die Brauerei Höfel folgte 1937 die Post.
Der 100 m Turm ist ein alter Hut. Vor 20 Jahren schon, bei der Umstrukturierung der Industrie-Brachflächen in Oberbilk, war fast an der gleichen Stelle der 140 m Turm „IHZ“ (Internationales Handelszentrum) vorgesehen. Er sollte das neue Wahrzeichen von Düsseldorf werden mit „hängenden Gärten“, „Wasserfällen“ und „Lichtflügeln“ (Glasmöwe).

M wie Moskau

Beflügelt in der Gorbatschow Euphorie von 1989 war vor allem an ein „Russisches Haus“ gedacht. Düsseldorf gewann den Standort gegen Hamburg und Stuttgart. Daher der Name „Moskauer Straße“, von dem jetzt der Name M herrührt.
Neben dem Turm sollte ein „World Trade Center“ entstehen. Das unglückliche WTC in New York vergab 77 dieser geschützten Namen weltweit. Für Deutschland stand Düsseldorf.
Von all diesen gewaltigen Plänen ist nur eine dürre Version übrig geblieben: das „Haus der Wirtschaft und Industrie“ (HWI) am Oberbilker Markt, sowie zwei fünfstöckige Bürohäuser an der Moskauer Straße mit U-Bahn Anschluss.
Damals vor 20 Jahren, sprach man in Oberbilk vom „urban entertainment center“.
Aus dem alten Pferdebahndepot (1896) an der Erkratherstr. wurden ab 1996 das Tanzhaus und das Capitoltheater (2011 großer Erfolg mit Hape Kerkeling und Dirk Bach).
Eingezogen in die alte Paketpost an der Worringerstr. ist mittlerweile das Central Theater (Probebühne) und das Stadtarchiv. Gleich neben dem Hauptbahnhof steht das größte Kino der Stadt.
Trotz all dieser Anstrengungen und neuerer Aktionen (wp8 Künstlerverein, „Platzda“, “Hellgrün“) ist der Worringer Platz ein Problemkind.
Ähnlich, wie bei den Träumen der „Global City“ in Oberbilk, wird man hier die Erwartungen des „urban entertainment center“ zurückschrauben müssen.

M wie Mörder

Drei Wochen nach der Hinrichtung des Düsseldorfer Mörders Kürten 1931 gab es den Meisterfilm „M“ von Fritz Lang mit Peter Lorre und Gustaf Gründgens. Im Ausland hieß der Film „M - il mostro di Düsseldorf“ (das Monster von D)
Mit „M“ verbindet der Düsseldorfer automatisch den Mörder Kürten.
Makaber: Der Wohnturm „M“ liegt nur 200 m neben der damaligen Wohnung des Mörders.
zum Weiterlesen: Anne Mommertz, Oberbilk, Düsseldorf 2010

Dienstag, 3. Juni 2014

"Das Majolikahäuschen wiederentdeckt" von Dieter Jaeger

Kachelteile des ehemaligen Juwels gefunden bei Erdarbeiten vor der Tonhalle
  
Erinnern wir uns an das Possenspiel im Hofgarten im Jahre 2007: „Erwin gegen den Rest der Welt“. Ein Café für Düsseldorfer Bürger sollte auf der Tonhallen-Terrasse errichtet werden; per Ratsbeschluss von SPD, FDP und GRÜNE. Doch dieser Beschluss wurde von Oberbürgermeister Erwin kassiert, weil man angeblich auswärtige Besucher nicht ausgrenzen dürfe; Kopfschütteln bei den Parteien und bei den Bürgern.
Es sind schon merkwürdige Dinge, die hier an der Tonhalle passieren und immer hat die Obrigkeit ihre Hand im Spiel.

Abgang bei Nacht und Nebel

So auch beim Abriss des heißgeliebten Majolikahäuschens (Name von Mallorca-Fayencen abgeleitet). Es stand 20 Meter neben der Tonhalle im Hofgarten und war ein Überbleibsel der großen Ausstellung von 1902.
Villeroy & Boch hatte hier einen Pavillon: ein weiß blau gelber Jugendstilbau, wunderbar verziert, Treffpunkt für Liebespaare und Gouvernanten mit Kinderwagen. Es gab Kaffee und Kuchen, Kakao und Milchgetränke.
Heute ist das Häuschen kaum noch zu erahnen. Nur Spurenleser und Düsseldorf Freaks erkennen seine Umrisse im jetzigen Kinderspielplatz.
In der Nacht des 9.FEB 1926 verschwand das Häuschen spurlos. Ein Krimi, Sturm der Entrüstung in Düsseldorf; einen Monat lang kein anderes Thema im Blätterwald. Man hatte etwas geahnt, als einige Zeit vorher dem Besitzer gekündigt worden war.

Was war geschehen?  

Heute wissen wir es. Drahtzieher war Professor Wilhelm Kreis, Hauptarchitekt der GESOLEI (Düsseldorfs Groß-Ausstellung 1926), der Erbauer des Marxhauses (erstes Hochhaus in Deutschland), des Ehrenhofs mit Planetarium (die heutige Tonhalle) und der Rheinterrasse.
Dieser Baulöwe hatte etwas gegen das Jugendstil-Gebäude mit seinen prunkvollen Schnörkeln und aufgeklebten Ornamenten („versaut mir die ganze GESOLEI“). Im Malkasten hatte er zu einem der Hauptbeteiligten gesagt: „Sie waren doch Pionieroffizier. Muss doch für Sie eine Kleinigkeit sein, das olle Ding wegzublasen“.
Diplomingenieur Richard Sonnemann 1964 in einem späten Zeitungsbekenntnis: “Wir trommelten einige Zimmerleute zusammen, besorgten einen Lastwagen und nach einigen Lagen Freibier war von dem Majolikahäuschen nichts mehr zu sehen“. Zum Oberbürgermeister Lehr gebeten, zuckte Kreis nur die Achseln. Es gab keine Belege. Es blieb bei Vermutungen.
Die Düsseldorfer lieben bis heute ihr verschwundenes Majolikahäuschen. In der verklärenden Erinnerung wird es wie das verschwundene Düsselschlösschen zu einem Idol.

Mehr bei de.wikipedia.org/wiki/Majolikahäuschen