Dienstag, 26. September 2023

Jetzt schlägt‘s dreizehn!

Die ersten Eisenbahnen zwischen Chaos und Fortschritt

Um die Mitte des 19ten Jahrhunderts war Dampfkraft schon gewaltig. Jetzt kommt die Fortsetzung: Dampf auf Reisen. Weit zurück in der Geschichte? Ja, aber die drei ersten Eisenbahnen bestimmen bis heute die Struktur unserer Straßen.

1.Akt 1838

Den Anfang machte 1838 die "Düsseldorf-Elberfelder" mit ihrem Bahnhof an der Kö und der Lokomotive "Düssel". Das war genial. Auch wenn die Kö noch nicht die heutige Königsallee war und damals Kastanienallee hieß. Nur hier kam man ganz dicht an den Kern heran, denn der Süden war die durch die Düssel versumpfte unbesiedelte "Walachei". Die Bahnstraße führte dann über die Oststraße in die weite Welt. Die Strecke wurde am 30.8.1891 stillgelegt. "Verlassener Gleiskörper" hieß es noch sehr lange. An der Ronsdorfer ist noch ein Gleis zu sehen. Die östliche Kiefernstraße ist ein Stück dieser Urbahn.

1838 wird nur noch von Nürnberg und Berlin übertroffen und Budweis in Österreich. Das "System Eisenbahn" war gerade mal 8 Jahre alt. Mit der Verbindung „Liverpool – Manchester“ hatte man 1830 gemerkt, dass die Bahn keine normale Straße ist.

Seit langer Zeit schon fuhren in England Kohlebahnen auf trams (= Holzbalken), die man mit Blech beschlagen hatte oder auf Rillen, die ideale Verbindung von "Spurkranz" auf "Pilzkopf" (= Rad auf Schiene). Die Rillen (= rails) gaben den Namen RAILWAY. Vorher sagte man WAGGON ROAD. Der Waggon war eine Erfindung der Eisenbahn. Bei der Eröffnung des "Eisernen Rheins" hieß es 1843:

 "Auf Deutschland, vorwärts nun und immer weiter. Auf Belgier, allons!
Und wer nicht kann Dampfwagen sein (als Leiter), sei wenigstens Waggon".

Belustigung am Anfang, wie bei vielen großen Neuerungen. Trevithicks erste Lokomotive "Locomotion" (= Ortswechsel) konnte 1808 nur im "Dampfzirkus London“ gezeigt werden, eine Bretterbude mit dem Wettlauf: "Catch me who can".

Auch die Post war jetzt auf dem Höhepunkt mit 200jähriger Erfahrung. Die "Diligence" (übersetzt „die Pünktliche") fuhr als Hauptpost mit drei unabhängigen "Coupés" bestehend aus 5 Pferden. Pünktlich mit dem Glockenschlag der Franziskanerkirche startete man (ab 1855) an der Oststraße und pünktlich mit dem Glockenschlag des Kölner Doms kam man zurück. Coupé, billet, conducteur, perron stammen aus dem Französischen, damals die dominierende Weltsprache: ein 17 Millionen Volk gegen 4 Millionen in England.

Das Coupé der Kutsche brachte zwei gegenüber liegende Sitzplätze zusammen und sorgte für Unterhaltung auf den langen Kutschfahrten. Dagegen brachte das Coupé der Eisenbahn zunächst nur Verlegenheit. Denn die Fahrten waren zu kurz, um ein Gespräch zu führen. Stattdessen rauschte ein "Panorama" am Fenster vorbei. Das Kino wird das aufgreifen und die Photographie bringt dann wieder die Lust zum Detail zurück.

Die zunehmende Mechanisierung und Beschleunigung der Welt bringt in Deutschland den "Wandervogel" hervor. In England wunderte man sich: wer dort wandert, wird als potentieller Verbrecher festgenommen.

Die Düsseldorf-Elberfelder war aus dem Gerangel zwischen den beiden anderen älteren Bahnen entstanden (Rheinische und Cölln-Mindener).

Wo endet der Rhein? In Köln oder Düsseldorf?

Wichtige Frage damals. Baumwolle, Twist, Krepp, Öl, Farbhölzer: alles kommt aus Antwerpen nach Düsseldorf. Der König in Berlin sagt ja!

20. Dezember 1838:Trassenbauer Wiebe fährt eigenhändig die DÜSSEL Lok (nach einem Schnellkurs in Lüttich). Es gibt Fußwärmer in der 1.Klasse und Rußblenden auf dem offenen Waggon in der 4.Klasse. Die 8 km bis Erkrath werden in 15 Minuten zurückgelegt mit einem Bedarfs-Haltepunkt: "Wenn sich Leute einfinden, wird am Unterbacher Weg gehalten und eingesammelt".

1838 ging Düsseldorf bis zur Königsallee, die Gärten bis Oststraße. Die Bahn kreuzte die Oststraße, dann die wichtige Ackerkoppel (Karlstraße/Stresemannplatz). Hier kam von Oberbilk die Ellerstraße. Sie ging bis Alexanderstraße, anfangs noch mit ebenerdigem Gleisübergang.

Hinter der Kreuzung Kölner Straße musste man einige "Geisten" einebnen (=Geschiebe-Lehme). Viele Ziegeleien nutzten den lehmigen Boden.

Dann ab Ronsdorfer Straße fuhr der Zug durch den dichten "Bilker Busch", in dem gerade "Richtwege" halfen, wieder heraus zu kommen. Jetzt das Düsseltal, vorbei am Höher Hof zum Haltepunkt "Unterbacher Weg" und hinein in den Gebirgskörper des Rheinischen Schiefergebirges bis zum Ort Erkrath. Die Steilstrecke hoch zum "Hohen Tal" (Hochdahl) würde noch kommen.

2.Akt 1845

Die Cölln-Mindener ist die Hauptbahn der ersten Eisenbahn Zeit. Die Elberfelder (=Bergisch-Märkische) war nur ein verfrühter Ausrutscher gewesen. Bis heute ist die Cölln-Mindener die Haupttrasse der Eisenbahn in Düsseldorf. Die Trasse wird eine Art neuer Stadtmauer. Es ist schwer, rüberzukommen. Die Straße, obgleich älter, unterstellt sich der neuen Mobilität: sie baut aufwendige Brücken.

Bei Köln-Minden ging es immer um das Ausweichen vor dem verdammten Niederländischen Zoll. Nach dem Ende der Napoleonischen Zeit, hatte man 1815 gesagt:

Die Meere sind frei

Holland machte daraus eine Mogelpackung. Zwar sind die Meere frei, aber nicht der Weg dorthin. So entstand die Idee der Rhein-Weser Verbindung. Und zusätzlich die Verbindung über das 1831 entstandene Belgien:  der "Eiserne Rhein“ Köln- Antwerpen, beide Ideen unter Mitwirkung des Kölners Ludolf Camphausen und des Aacheners David Hansemann, mal gegen-, mal miteinander. 

Ein Dritter fängt noch etwas früher an. Friedrich Harkort aus Hagen, der Mittler zwischen der bergischen Frühindustrie und der Kohle aus Ruhr und Emscher. Elberfeld liegt im Gebirge, ist aber von Anfang an als fortschrittlichste Stadt immer dabei. Harkort liefert Kohle nach Elberfeld. Seine Deilbach-Kohlenbahn (vom Baldeneysee bis Elberfeld) ist dann die erste Bahn auf Eisenschienen, wenn auch von Pferden gezogen. So nebenbei initiiert er, zusammen mit Henry Palmer, die Wuppertaler Schwebebahn.

Harkort ist auch der erste, der die Bahnstrecke Köln-Minden empfiehlt. Minden liegt im Äußersten nordöstlichen Zipfel der preußischen Provinz Westfalen. Von hier würde es bis Bremen auf der Weser gehen. Weitere Strecken wären von hier aus durch die Staaten Hannover und Braunschweig bis Berlin möglich.

Die 1845 startende Strecke nahm aber nicht Elberfeld, sondern das billigere Flachland: Rhein - Emscher. Mit der Emscher hatte man den richtigen Riecher, denn hier entsteht die Schwerindustrie, wegen der tiefer liegenden Fettkohle. Oberhausen war beim Bau der Strecke nur eine Bahnstation.

Die Cölln- Mindener Bahn fuhr in Düsseldorf entlang der ältesten Köln-Duisburger Straße. In zwei Bögen (rein-raus) fuhr sie zum Kopfbahnhof neben der Bergisch-Märkischen (heute Aderstraße). Die beiden Bögen (Eisen-, Mindener- und Worringer Straße) bildeten mit der späteren Verbindungsbahn das Oberbilker Gleisdreieck: die Wiege der Düsseldorfer Schwerindustrie.

Mittlerweile fürchteten Eltern um ihre Kinder: die Bahn fuhr ja ebenerdig mitten durch die Stadt. Besonders die große Kreuzung der Cölln-Mindener über die Bergisch Märkische zwischen Alexander- und Ellerstraße wurde zum Problem: ein Tunnel wurde gebaut. Die Alexander- heißt jetzt Tunnelstraße.

3.Akt 1874

Die Rheinische Bahn, von Geburt die älteste, kommt als letzte nach Düsseldorf. Weil sie kackfrech die alten kopiert, bekommt sie den meisten Unmut zu spüren. Ihr Bahnhof ist verschwunden, die genaue Lage schwer auszumachen (Rethelstraße oder Grafenberger Allee ?).

1833 gegründet, wirkt sie zunächst linksrheinisch. Die Rheinische bringt 1854 auf ihrem Weg nach Krefeld die kuriose "Rheinstation" zustande. Mit der Schiffsbrücke kommt man so nach Düsseldorf.

Über ein Rhein-Trajekt (Rheinhausen) wagt sie sich allmählich ins Rechtsrheinische.

1874 fährt sie von Troisdorf nach Mühlheim Speldorf in Grafenberg an Düsseldorf vorbei. Dann werden Stadtschleifen gebaut, die dann zum 3. Bahnhof führen an der Grafenberger Allee/Rethelstraße.

Später fährt sie parallel zur Bergisch-Märkischen nach Elberfeld und beschert Gerresheim und Erkrath einen zweiten Bahnhof. Auch Rath hatte jetzt zwei Bahnhöfe. Der Ton wird aggressiver:

"Jetzt schlägt‘s dreizehn"

Auch hier der schärfere Ton. Die Zeit wird geändert. Zeitzonen werden eingerichtet. Vorher war jeder Lokführer mit seinem eigenen Chronometer herumgelaufen.

In Liverpool war es 12 Uhr, in Birmingham aber schon 12 Uhr fünf, und in Manchester gar 12 Uhr zehn.

Deshalb wurde 1884 der Nullmeridian als Weltzeit Null festgelegt. Es ist ein Halbkreis. Er führt als Längengrad vom Nordpol über das englische Greenwich bis zum Südpol.

Die Breitenkreise waren von der Sonne geregelt. Für die Längenkreise gab es nur die Uhr. Alles war Vereinbarung. Wenn für uns der Osten im Osten liegt, liegt er für Australien ganz wo anders. Die "Longitude" war lange das große Problem der Seefahrt. Und bald auch der Eisenbahn.

4.Akt 1885

Die Preußische Staatsbahn beendet den Spuk und den aggressiven Wettbewerb der drei Privatbahnen.

Stübben und Co. machen aus dem alten Grundmuster die neue Eisenbahn. Der Hauptbahnhof kommt in den Nordbogen der Köln-Mindener Bahn. Die Gleise werden auf hohe Dämme gelegt. Die Straßen tunneln den Damm.

Wir steigen jetzt auf Bahnsteige und das Wort "steigen" wird allgemein zum Wort "betreten".
Auch wenn wir hinunter in ein Boot springen.


Autor: Dieter Jaeger  -  Redaktion: Bruno Reble  -  © Geschichtswerkstatt Düsseldorf 2023

Samstag, 29. Juli 2023

Schätze der KUNSTAKADEMIE sind gesichert

Im Juli 2023 wurde die Kunst-Versicherung für weitere 20 Jahre neu geordnet, genau rechtzeitig, wenn die Düsseldorfer Kunst-Akademie im November ihr 250jähriges Jubiläum feiert (1773-2023) und der Kunstpalast in neuem Glanz erstrahlt.

Dabei geht es um die Versicherung von Millionen Werten. Die Sicherung kostet die Stadt 11 Mio. Das Land gibt einen Zuschuss von 240 000. Insgesamt werden 39 000 Werke versichert gegen Feuer, Wasser, Sturm und Vandalismus.

Wie wichtig eine derartige Versicherung ist, zeigt ein Vorfall aus dem Jahre 1986. Der Kunstprofessor Joseph Beuys war gerade gestorben, als ein übereifriger Hausmeister die Reste des großen Meisters beseitigte: etliche Kilo stinkendes, ranziges Butterfett, die sogenannte Fettecke. Ein Kunstwerk, so ein Beuys-Schüler, welches ihm sein Lehrmeister zu Lebzeiten angeblich als Geschenk vermacht hatte. Dieses Kunstwerk wäre nun zerstört. So gelang es dem cleveren Prozess-Hansel schließlich einen Schadensersatz von 40.000 DM zu ergattern und eine tiefschürfende Diskussion über Kunst zu entfachen, ganz im Sinne des verstorbenen Meisters.

Heute bestehen die zu versichernden Schätze der Kunstakademie großenteils aus der Sammlung "Lambert Krahe" (15 000 Zeichnungen und 22 000 Grafiken).

Es begann mit den Kurfürsten

Der Begründer der "Kunststadt Düsseldorf" Lambert Krahe wurde 1712 im Kanzleigebäude neben dem Rathaus geboren, zu einer Zeit als Jan Wellem noch leibhaftig auf hohem Ross hockte.
Krahe war Rom-Abenteurer, Maler und Sammler. 1756 wird "der treffliche Krahe" (Goethe) zum Leiter der Gemäldegalerie berufen. Diese weltberühmte Sammlung Jan Wellems mit Rubensbildern seines Großvaters Wolfgang Wilhelm war in einem Anbau des Schlosses untergebracht. Die extrem großen Rubens-Gemälde, mit Mühe nach Düsseldorf gekarrt, passten nicht in das alte Schloss hinein. Sie mussten daher zunächst im Kappuzinerkloster auf der Flingerstraße aufgestellt werden.

Krahes Vorgänger Gerhard Joseph Karsch hatte als Leiter der Galerie den ersten Katalog verfasst: "Der schlafende Cupido, wie ihm die Psiche die Gurgel abschneidet" oder "Silenius, wie er von Bacchanten ganz besoffen geführet wird". Die "Collection Électorale" wie es Pigage formulierte, natürlich in der eleganten Weltsprache Französisch.

Lambert Krahe gründet um 1762 im leeren Grupellohaus eine "Zeichenschule". Goltstein braucht das Haus und Krahe geht zur Mühlenstraße ins Obergeschoss vom Bongard-Haus (berühmter Waffenhersteller). Hier wird 1773 mit Krahe als "Direktor" die Akademie gegründet.
Kurfürst Carl Theodor folgt dem Zeitgeist. Seit der berühmten "Académie des Beaux Arts" in Paris (1648) nach dem Vorbild von Florenz (1563), wachsen überall Akademien aus dem Boden: 1725 Wien, 1735 Stockholm, 1768 London.

1773  nun auch Düsseldorf

Mit dem Ableben Carl Theodors 1799 beginnt auch der Niedergang der Akademie. Krahes Nachfolger Langer muss 1798 ins Franziskanerkloster Schulstraße. Der Lehrer Aloys Cornelius (Vater des berühmten Peter) verprügelt hier den jungen Heine.  

1805 kommt es zu einem majestätischen Geschacher. Um zu Königen von Bayern ernannt zu werden, verscherbeln die bayrischen Kurpfälzer ihren Besitz im Rheinland an Kaiser Napoleon. Kurz bevor der Deal in Kraft tritt werden die transportfähigen Teile der Jan Wellem Sammlung (ohne die Rubens-Schinken) bei Nacht und Nebel nach Süddeutschland verfrachtet. Sie können heute in München bewundert werden, in der Alten Pinakothek.  

Die Preußen kommen

Nach der Niederlage von Napoleon hätten die entwendeten Gemälde eigentlich wieder nach Düsseldorf zurück gemusst, aber die Preußen wollen ihren potentiellen Bündnispartner Bayern nicht verärgern und gründen als Wiedergutmachung 1819 die "Königliche Preußische Kunstakademie" im Schloss.
Der Düsseldorfer Peter Cornelius aus der Kurzestraße wird erster Direktor. Er gilt damals als größter Maler Deutschlands. Doch  König Ludwig von Bayern ködert ihn mit besserem Gehalt.
Schadow springt ein

Auf den ersten Weltruhm der Jan Wellem Zeit folgt der zweite Weltruhm der "Malerschule".
 "Die Völker der Welt schickten ihre Maler nach Düsseldorf". Die Schule wird die Pflanzstätte der Institute fast aller europäischen Nationen, bis hin zu den Schulen Nordamerikas, Russlands  und Australiens. Wilhelm Busch, Anselm Feuerbach, Arnold Böcklin, Caspar David Friedrich: alle aus Düsseldorf. 1875 dann der Sprung in das "Kunstschloss" auf dem Eiskellerberg.

Aber der Schwung ist dahin

"Mit fröstelndem Unbehagen betrat ich die hässlichen Räume der Kunstakademie"  hatte Feuerbach schon 1850 gesagt.  "Wenn sie nicht alle so alt wären...".  Um 1900 heißt es "Kunstrumpelkammer", "Versorgungsanstalt für Professoren" und in einer Anzeige: "50 Pfennig Eintritt, um die Reste zu sehen".
Und man hatte immer noch keine Stätte für Ausstellungen. Die "Kunsthalle" von 1881 war ein Provisorium. Heute steht sie, im Brutalismus gebaut (frz. beton brut = Rohbeton) ein Paar Meter weiter auf der Mühlenstraße.

1898 gründet sich der "Verein zur Veranstaltung für Kunstausstellungen". Der fleißige Akademiechef Fritz Roeber verbindet Kunst mit Industrie. Jetzt heißt es bei den Ausstellungen immer "Gewerbe und Kunst". 1902 dann im sumpfigen Inselbereich von Golzheim die erste große "Industrie und Gewerbe Ausstellung", verbunden mit einer Ausstellung für Kunst. Die  "Rheinufer-Vorschiebung 1899" mit dem Gewinn der Golzheimer Insel hatte es möglich gemacht.

Der "Kunstpalast" war das Herzstück der Ausstellung. Die Kantine bleibt von 1902 an der Ecke Inselstraße übrig und 1926 der Name "Kunstpalast" im Ehrenhofkomplex  des Machers Wilhelm Kreis.
Düsseldorf hat einen Ort für Kunstausstellungen. Da sind sie nun: die großen Schätze der Akademie.
"Von hier aus", nennt Kasper König 1984 seine Ausstellung und 1988 noch einmal:

"Kunst kommt aus Düsseldorf"

Im November 2023 können wir im Kunstpalast alles bewundern, auch den Anfang: die "Sammlung Lambert Krahe".
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Autor: Dieter Jaeger  -  Redaktion: Bruno Reble  -  © Geschichtswerkstatt Düsseldorf 2023

mehr zur Gemäldegalerie  de.wikipedia.org/wiki/Gemäldegalerie_Düsseldorf

und zur Kunstakademie www.kunstakademie-duesseldorf.de/


Mittwoch, 14. Juni 2023

Wie Neander ins Neandertal kam

Gar nicht so einfach. Es gab keine Grafenberger Allee, keine Bergische Landstraße und schon gar keine Mettmanner- oder Talstraße im engen Düsseltal, wo wir heute bequem zum Neanderthal Museum fahren.

WIE ALLES ANGEFANGEN HAT

Joachim Neander wurde 1650 in Bremen geboren und stammte aus einer norddeutschen Pastoren-Familie. Sie hieß ursprünglich Neumann. Man hatte jedoch – einer damaligen Mode folgend – den Familiennamen ins Griechische übersetzt und sich in Neander umbenannt. Auf diese Weise kam 1674 ein junger Lateinlehrer namens Neander nach Düsseldorf. Er wurde Rektor an der Lateinschule der reformierten Gemeinde und bekam eine Stelle als Hilfsprediger. 1678 verließ er Düsseldorf im Streit mit dem Presbyterium und starb 30jährig in seiner Geburtsstadt Bremen;
mehr bei
de.wikipedia.org/wiki/Joachim_Neander

Die Lateinschule stand auf dem Grundstück in der Düsseldorfer Altstadt, auf dem 7 Jahre nach dem Tod Neanders die Neanderkirche gebaut wurde.

Der Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm war anfangs noch tolerant, denn seine Gemahlin war protestantisch. Im Alter wurde er strenger und untersagte den evangelischen Gottesdienst. Sein Sohn, der spätere Kurfürst Philipp Wilhelm, verfestigte die Intoleranz. Seine Frau war eine katholische Polin. Erst unter Jan Wellem konnten reformierte Kirchen gebaut werden, allerdings nur versteckt im Hinterhof.

Aber da war Neander schon tot. Sein Wirken hatte im Geheimen stattgefunden. Aber sein Lied ging um die Welt: "Lobe den Herrn, den mächtigen König der Ehren".

DAS NEANDERTAL

Neander unternahm mit Freunden große Wanderungen, unter anderen ins nahe "Gesteins". Dieses wilde Gebirge, 15 km neben dem flachen Düsseldorf, muss auf ihn und alle anderen einen großen Eindruck gemacht haben. 150 Jahre später werden es die Künstler der Düsseldorfer Malerschule berühmt machen.

Neander hat dort keine Predigten gehalten, das ist wohl eine Mär. Aber er muss dort gewesen sein, sonst wären die vielen Namen (Neanderhöhle, Predigtstuhl, Kanzel), die später entstanden sind, nicht möglich.

Von Neander stammt auch das Lied "Gott die Luft erschallt (...) Berge Fels und Klippen" mit dem Hinweis: "im Bergischen Land in dem Gesteins nicht weit von Düsseldorff".

Erich Philipp Ploennies, der erste Geograph des Herzogtums Berg erwähnt 1715 das Gesteins: "zwischen dem Feldhoff und Hof Karstein ist das so genannte Gestein gelegen".

1788 schreibt der Maler Gerard van Nijmegen: "die Felsen von Mettmann 3 Stunden außerhalb von Düsseldorf (...) himmelhohe Felsen, Wasserfälle, wie es in Deutschland keine mehr gibt (...) um Kalk zu brennen, wurde ein Kalkofen gebaut nahe dem Felsen".

1791 schließlich Friedrich Leopold Graf zu Stolberg: " ungeheure wilde Felsmasse, überhangende Klippe, wo man sich legte, um in den Abgrund zu sehen" und "von den andern gehalten ward".

1802 spricht der berühmte Justus Gruner zum ersten Mal von "Neander, von dem dieses Tal den Namen trägt".

Der Rummel war schon da, auch vor der Malerschule, aber diese berühmten Künstler haben das Tal schließlich weltberühmt gemacht.

DIE ENTSTEHUNG DES GESTEINS

Warum befindet sich neben dem flachen Düsseldorf ein Gestein, das so anders ist, so wild und das in einem Bergischen Land, das eher sanft aufsteigt und oben gar nicht mehr den Eindruck eines Gebirges hervorruft?

·      Im Devon (vor 410 bis 360 Millionen Jahren) wird Europa von einem Flachmeer bedeckt. Die Geologen nennen es Thetis. Wir lagen am Nordrand des Meeres. Unser Düsseldorf und mit ihm die Thetis schwamm am Äquator. Es war heiß und die ersten Pflanzen wagten vom Flachmeer aus den Sprung auf den Kontinent. An den Rändern des Meeres bildeten sich Riffkalke. Das sind Stein-Korallen, also ortsgebundene Meerestiere im flachen warmen Wasser, die Kalk ausscheiden. Dieser Kalk kann zum mehrere hundert Meter dicken Kalkstein werden. Das Riff ging von Neandertal, Wülfrath-Dornap, Wuppertal bis Iserlohn. Tone und Sande bedecken später den Kalk und werden zum Schiefergebirge.

·      Im Karbon (vor etwa 360 Millionen Jahren) entstehen unsere Mittel-Gebirge von alpiner Höhe bis auf Meeresniveau; mehr bei de.wikipedia.org/wiki/Karbon

·      Als im Tertiär (vor 30 bis 2 Millionen Jahren) das Gebiet wieder hochgedrückt wird, bleibt oben die Fläche des abgetragenen Gebirges erhalten. Wir glauben bei Mettmann nicht, dass wir im Mittelgebirge sind. So flach ist es hier. Es zerbröckelt allerdings in die Teile des Rheinischen Schiefergebirges (Eifel, Taunus, usw.). Im Süden Deutschlands tauchen die Alpen auf. Bei uns sackt die Niederrheinische Bucht ab; mehr bei de.wikipedia.org/wiki/Gebirgsbildung

·      Im Quartär (2 Mio. Jahre bis heute) geschehen die letzten Formierungen: Die Terrassen des Rheins, das Hervortreten der Kalklandschaft und ihre Zerschneidung durch die Düssel. Die Düssel pendelte vor ca. 300 000 Jahren auf dem flachen Block des Schiefergebirges und behält dann ihre Pendelform bei.

ES KLAPPERT DIE MÜHLE AM RAUSCHENDEN BACH

Zehn Mühlen waren an der Düssel in Betrieb von der Quelle bis zur Einmündung des Mettmanner Bachs. Etwa 20 kleine Bäche füttern die Düssel. Direkt vor dem Eingang in die Klamm lag seit 1672 die Hunsklipper Walkmühle. Hier wurden Tierhaare zu Filz zermalmt. Danach gibt es statt der vielen Bäche im Oberlauf nur noch den Mettmanner Bach und den Laubach.

Im Kalkstein gibt es keine Nebenflüsse, keine Mühlen. Das Wasser fließt unterirdisch und führt zu den typischen Formen des Karstes: Tropfsteinhöhlen, Dolinen, Wasserarmut. Die Düssel wird zur engen Klamm von nur wenigen Metern Breite.

Die Funde konnten sich erhalten, weil seit der Zeit des Neandertalers die Düssel 20m nach unten eintiefte und die damals ebenerdigen Höhlen später 20m hoch in der Steilwand lagen und so für Mensch und Natur unzugänglich waren.

Eine Miniatur Kalklandschaft, also eine Karstlandschaft, kann man ganz in der Nähe gut beobachten: im "Naturschutzgebiet Krutscheid". Es sieht aus wie eine Kriegslandschaft: Bombentrichter überall, aber es sind keine Bomben, sondern eingestürzte Kalksteindecken, weil der Boden unterhöhlt ist.

Zu den Mühlen an der oberen Düssel kommen schon früh im Mittelteil des Kalksteins die Kalköfen dazu. Kalziumkarbonat wird zu Kalziumoxid: aus Kalkstein wird Kalk. Der Kalk wird zur Düngung genutzt, zum Hausbau, dann ab 1850 im großen Maßstab zur Eisenverhüttung, weil die neue Koksfeuerung (statt Holzkohle) zur Entschwefelung Kalk braucht.

DER NEANDERTALER

1856 werden alle Höhlen zerstört und ihre Funde dadurch publik. Der Lehrer Fuhlrott interpretiert den "Bärenfund" als Knochen eines Frühmenschen. Ein Skandal, denn Darwin veröffentlicht erst 1859 sein bahn­brechendes Werk „Über die Entstehung der Arten“. Erst nach vielen Auflagen und erbittertem Widerstand werden Darwins Thesen von der Wissenschaft bestätigt. Für Fuhlrott zu spät, denn er erlebt die Bekräftigung seiner Aussagen nicht mehr.

Der Neandertaler (vor 150 000 bis 40 000 Jahren) lebte in der komplizierten Eiszeit. Er stirbt aus oder geht im Homo Sapiens auf. Er galt lange als der erste Mensch.

Doch kehren wir zurück zur Ausgangsfrage:

WIE KOMMEN WIR INS NEANDERTAL?

Joachim Neander nahm wohl um 1675 den "Flinger Steinweg" (heute: Schadowstraße) durch Flingern, vorbei am Enger Hof (Endhof) über die Zoppenbrück am Pöhlenweg bis zum Höherhof und der Dammer Mühle. An der Düssel-Brücke in Erkrath ist zunächst Schluss. Das nur wenige Meter breite Düsseltal, eine Klamm, war am Ausgang durch einen Wasserfall verschlossen.

DER WEG DER MALER

Die Maler können ab 1826 schon die Bergische Landstraße nutzen und von dieser dann kurz vor Mettmann einen Weg runter zum Eidamshaus (oder Gouffenbruch) nehmen.

Ein Führer führte dann vom Eidamshaus nach dem verschwundenen Gut Kastein und zum Laubach-Wasserfall in der Mitte des Neandertals oder über den Ort Lathan zur Walkmühle, d.h. zum Eingang ins Tal.

Die Klamm hatte ca. 10 Höhlen, die nur von oben erobert werden konnten. Die Steilwände machten den Seiteneingang unmöglich. Oft lagen zwei Höhlen gegenüber, d.h. sie waren aus einer entstanden und durch die einschneidende Düssel in zwei geteilt worden. Die Neanderhöhle lag z.B. gegenüber von der Feldhofer Kirche.

Ab 1838 entsteht hier Westdeutschlands erste Eisenbahn. Das hat nichts mit der Naturschwärmerei eines Wanderpredigers zu tun, sondern mit Elberfeld, dem Zentrum der Düsseldorfer Vorindustrie. Die Bahn ging kerzengerade von Düsseldorf nach Wuppertal. Abfahrt war am ehemaligen Bergisch-Märkischen Bahnhof (heutiger Graf Adolf Platz). Bei Gerresheim nutzt die Bahn die Düssel-Öffnung ins Bergische, muss dann aber bei Hochdahl in akrobatischer Weise auf die Höhe klimmen (und das in der Pionierzeit der Eisenbahn).

1879 kam noch die "Rheinische Bahn" dazu, so dass Erkrath heute 2 Bahnhöfe hat und das Neandertal zwischen zwei Bahnlinien liegt. Für den Fußmarsch in die enge Klamm half das damals wenig.

UND HEUTE?

"Schon wieder", murrten wir und schlurften 1950 als Schüler missmutig zum Neandertal. Für uns gab es nichts Langweiligeres als Wandern. Wir belohnten uns, indem wir in eine Röhre krochen (wahrscheinlich der Laubach). Am Ende führte uns die Röhre zu einem winzigen Wasserfall. Für uns Kinder war das der Inbegriff des Neandertals.

Damals gab es noch kein richtiges Museum. Stattdessen ein Schrottplatz mit Autowracks der Wirtschafts-Wunderwelt (ausgerechnet an der ehrwürdigen Fundstelle). „Umwelt“ war ein Fremdwort. Es stand nicht gut um die Natur.

1996 wird an dieser Stelle das Neanderthal-Museum eröffnet. In einem ovalen Gebäude streifen wir heute stufenlos auf einem Rundkurs vom Eingangsbereich zur obersten Etage und erleben so die einzelnen Epochen der Menschwerdung; mehr bei de.wikipedia.org/wiki/Neanderthal_Museum

Zum Museum gehört auch ein archäologischer Garten in der Nähe der legendären Knochenfunde von 1856. Dort wird im Dezember 2022 der Höhlenblickturm eröffnet. Er gestattet (heute wie damals) "den Blick aus entsetzlicher Höhe in den Abgrund". Und wer will, den streift der Schauer der Geschichte:

WIE KAM DER NEANDERTALER INS NEANDERTAL?

Autor: Dieter Jaeger - Redaktion: Bruno Reble - © Geschichtswerkstatt Düsseldorf 2023

Sonntag, 28. Mai 2023

300 Jahre Nicolas de Pigage

"Ken, Ken", stammelte sie, "ich liebe Dich, ich liebe Dich"  "Mit einem tiefen Seufzer schlang Rosalie die Arme um den Hals des Jungen" (Thomas Mann).

Während hinter den Tapetentüren im Benrather Schloss dramatische Szenen ablaufen, surften wir Kinder 1948 in großen Pantoffeln über das glatte Parkett. Die Pantoffeln waren für uns Schloss Benrath. Später waren es Referendarprüfungen in den Seitenflügeln. Schweißnass danach in die kühle Frühlingsluft am kalten See und die Grippe war fällig.

Die Itter

Im "Schweißgraben" oder "Kappuziner-Kanal" vor dem Schloss schwitzten früher Hunderte beim Frondienst des Kurfürsten, um aus der einfachen Itter einen vernünftigen kerzengeraden Wasserzufluss für die Schlossgräben zu bauen. Dass dabei die Bauernorte Langer Weiher (= Holthausen, Itter und Himmelgeist) ohne Itter-Wasser auskommen mussten, störte die hohen Herren nicht weiter. Die Itter, von Hilden kommend, bei der Capitostraße nach Norden zum Hoxbach und nach Westen zur Cäcilienkirche abweichend, im Süden nochmals nach Himmelgeist oder Urdenbach gabelnd, mündete fortan nur noch in Urdenbach. Der große Platz in Holthausen und die Kurve in Itter erinnern ein wenig an den Urzustand.

Die erste Elisabeth

Der Fluss in Benrath hatte schon Philipp Wilhelm, den "Schwiegervater Europas" gereizt. Sein Baumeister Johann Lollio baut 1662 das erste Benrather Schloss, von dem noch die Orangerie erhalten ist. Der kleine Jan Wellem spielte an der Itter. Seiner Mutter, der mit 17 Kindern geplagten Elisabeth Amalie hatte Philipp das Schloss als Morgengabe nach der Hochzeitsnacht gewidmet.

Die zweite Elisabeth

Die zweite Elisabeth Auguste ist neben ihrem Gemahl Carl Theodor, dem weltgewandtesten aller Kurfürsten, im heutigen Schloss "CT und EA" überall präsent. Die Ehe lief nicht gut, da half auch kein Schloss. Elisabeth, hierin ähnlich der Rosalie von Thomas Mann, jagte neben Hirschen auch hübsche junge Männer. Über den Türen immer wieder erotische Puttenspielerei. Das Haus heißt schließlich "Maison de Plaisance" ("Lusthaus"). Das Wort Lust ist allerdings damals inflationär, hatte wohl eine andere Bedeutung.

Pigage (1723-1796)

Nicolas de Pigage (der Adelstitel kam später) wurde am 3. August 1723 im lothringischen Lunéville geboren. Die Stadt, in der er geboren wurde, wird später mit dem weltberühmten Frieden von Lunéville in die Geschichte eingehen. 1801 ist das Ende des alten Regimes (ancien régime), der Anfang des modernen Düsseldorf. Die fallende Stadtmauer macht Platz für die rasante Zukunft der Stadt.

Pigage hatte in Paris studiert unter Blondel, dem großen Autor von Architektur Büchern. Das Hauptwerk von Nicolas de Pigage das Benrather Schloss im Süden von Düsseldorf (erbaut 1755-73) zählt heute zu den schönsten Schlössern in Europa.

Das Schloss

"Das bescheidene "Häuschen am Weiher ist der bezückendste Betrug, den man sich denken kann“ (R.Klaphek)

  • Es sieht einstöckig aus, hat aber, wenn man alles dazu nimmt, 6 Stockwerke, 80 Zimmer, 2 Lichthöfe und 7 Treppenhäuser.
  • "Atemberaubend, wie die winzigen Nebengelasse -Bade- und Toilettenräume- die Schlafzimmer umspielen" (W.Handmann)
  • Der Bau ist durch Tunnel miteinander verbunden. In einem "Schallraum", in der Kuppel, spielten Musiker unsichtbar für das Publikum im großen Saal. Erstaunlich modern: die Ziergewässer dienten bei Hochwasser als Rückstau und im Park wurde durch einen Düker das Wasser unterirdisch zurückgeleitet.

Der Hofgarten

Nicolas de Pigage baut 1769 auch den ersten "Hofgarten", gleichzeitig auch Deutschlands ersten Garten dieser Art.

"Da, wo vor einiger Zeit Sandhügel, verfallende Gemäuer, öde Steppe den Wanderer zurückschreckte, entzückt jetzt  ein mit Geist und Geschmack angelegter Lust Hain das Auge“ (Kluge).

Strenger französischer Stil mit „patte dóie“ und gerader Allee in der Mitte, begleitet von englischen wilden Bosquets, zum Schluss ein runder Weiher, der später den Meeresgott Triton bekommt, dem ein Flusspferd das Essen wegschnappt (Jröne Jong). Der Park hatte viele barocke Figuren mit Geschichten aus der griechischen Mythologie.

Eine der barocken Figuren war Omphale, Königin von Lydien. Nicht weit weg von ihr stand Hercules, der stärkste Supermann seiner Zeit, hier allerdings erniedrigt, er strickt Gewänder für Omphale. Pigage kannte die Eheprobleme des Kurfürstenpaars. Sie war 21, er 17 Jahre alt, "Herrlein" von ihr genannt. Omphale erniedrigt Hercules, wie Elisabeth ihren Theodor.

Die Promenade

Für die Düsseldorfer wurde dieser Garten schnell zur "Pempelforter Promenade", besser noch zur "Champs Elysees" von Düsseldorf.

Die Gemäldegalerie

Die höhere Gesellschaft der Stadt liebte auch die jetzt offene Gemäldegalerie des Jan Wellem. Der Kurfürst hatte ca 1000 Kunstwerke gesammelt und dafür schließlich ein eigenes Haus gebaut. Die Galerie ist der Anfang der "Kunststadt Düsseldorf". Alle Welt besuchte die Stadt nur wegen der Galerie. Der erste Galeriedirektor Gerhard Joseph Karsch verfasste einen Katalog: "Der schlafende Cupido, wie ihm die Psyche die Gurgel abschneidet" oder "Silenius, wie er von Bacchanten ganz besoffen geführet wird". Pigage macht daraus einen eleganten Führer "La Galerie Électorale", natürlich in französischer Sprache.

Das gebrochene Herz

Auf der Pempelforter Promenade des großen Nicolas de Pigage promenierte auch Heinrich Heine:

"In frühen Tagen hatte der junge Mensch mit ganz anderen Gedanken an ebendieselben Bäume hinaufgesehen. Damals war des Knaben Herz ebenso vergnügt, wie die flatternden Tierchen, wenn sie lustig dahinsummten und sich der hübschen Welt erfreuten. Jetzt aber war sein Herz älter geworden, die kleinen Sonnenstrahlen waren darin erloschen, alle Blumen waren darin abgestorben, sogar der schöne Traum der Liebe war darin verblichen, im armen Herzen war nichts als Mut und Gram und damit ich das Schmerzlichste sage - es war mein Herz".


Autor: Dieter Jaeger / Redaktion: Bruno Reble / © Geschichtswerkstatt Düsseldorf 2023
s. auch de.wikipedia.org/wiki/Nicolas_de_Pigage

Samstag, 22. April 2023

Der Hafen - eine Brise von Weite und Abenteuer?

Schiffe sind Weltfahrende: wir stehen bei ihnen und fahren hinaus. Unser Schiff hier im Alten Hafen von Düsseldorf fährt nirgendwo hin. Es vermodert, versinkt, verschwindet. Aber nur einen Meter tief in diese schmutzige Hafenpfütze bis zum Dach des Parkhauses darunter.

Dieses Schiff ist das Totenschiff des Weltfahrers Heinrich Heine. Bei seiner 200sten Geburtstagsfeier im Jahre 1997 endet hier die gewaltige Show. Dichter, Sänger, Akrobaten hatten ein Netz über die Altstadt gespannt, um von oben die himmlischen Worte des Dichters zu senden.

Das Schiff wird zur "Matratzengruft" in Anspielung an Heines Ende in Paris an der Rue de Matignon neben dem Prachtboulevard „Champs Elysées“. Er hatte es von dort nicht weit bis zum Himmel.

Aalschokker als Wahrzeichen

Der armselige Schokker hier in Düsseldorf führt den Dichter zurück zu seiner Geburt. Der Rhein wird zum Lethefluss in eine andere Welt. Bei aller Erbärmlichkeit in diesem erbärmlichen Hafen bleibt das Boot für immer verbunden mit Heinrich Heine.

1996 springt ein junger Mann in die Baugrube und gründet den Verein "Rettet den Hafen".
Wir retten ja ständig etwas, aber geht es auch anders?

Statt teurer Immobilien kommt es am Ende zum Kompromiss: oben der Hafen, unten ein riesiges Parkhaus. Der Hafen wird ein Flop, trotz aller Romantik und trotz der Nähe zum Uerige. Die Läden vergammeln, das Ganz wird zum Penner- und Drogentreff. Aber der Hafen lohnt den historischen Rückblick, denn seine Form ist genau die des Ursprungs: Lageplan bei GOOGLE MAPS

Ein reicher Herzog macht den Anfang

1540 hatte Wilhelm der Reiche eine Zitadelle als Rückzugsort in kriegerischen Zeiten geplant. Denn die Zeiten sind alles andere als friedlich. Der Truchsessische-Krieg (1583-88) wogt auch durch das Rheinland. Und im Kampf um Geldern hatte Wilhelm sich mit einem Mächtigen angelegt, dem Kaiser.

Ein Nachfolger Wolfgang Wilhelm vollendet dann um 1620 Zitadelle und Hafen. Citadellstraße, Schulstraße und Hafenstraße entstehen. 1628 wird das "Schiffchen" gegründet. Die Düssel treibt nebenan die "Hofmühle" an. Ihr Nordarm im Mündungsdelta wird zum Hafen ausgebaggert.

Ein vorgelagertes Bollwerk entsteht. Die vier Ecken der Zitadelle bekommen 3 Bastionen. Der Adel zieht vom Norden (Ritterstraße) in den Hafen (Leerodt, Nesselrode, Diemantstein, Hompesch, Vellbrück). Aber sie zahlen, anders als die Kirche, wenigstens Steuern.

Ein Sicherheitshafen entsteht

Der Hafen war, wie alle Häfen hier am Rhein, ein rückwärts eingeschnittener Sicherheitshafen. Die Fluten des Rheins flossen an ihm vorbei, nicht hinein. Der Hafenbetrieb geschah am offenen Fluss, an der WERFT. Hier stand auch der bewunderte große Kran (1598-1863).

1814 schüttete man den Hafen zu, weil der neue Napoleonische Sicherheitshafen entstand (heute Wiese vor Kunstakademie). Nach der Zuschüttung wird der Gesamtraum zwischen Akademie-/ Schul- und Dammstraße zum Gefängnis, zum "Kaschott". An der Dammstraße sieht man bis 1986 anhand der Bordsteinkante den Eingang.

Der Aalschockker ist tot, es lebe der Aalschokker?

Eher nicht. Aber die Fischer-Zeit war grandios. Neben dem Aalfang gab es andere Wanderfische, z.B. den "Maifisch", eine Heringsart. Sie waren die Backfische der Fische, junge Lolitas, die man, weil zu jung, über „back“ zurückwarf oder in die Hammer Kappesfelder eindüngte. Zu jung, aber zart genug zum Backen, ein Leckerbissen seit 100 Jahren zum Bierchen in Düsseldorf. Die Heringsart, die im Mai zum Laichen den Rhein hinaufschwamm, wurde hier in Mengen gefangen. Maifischmärkte und Backfischessen waren die große Sause im Düsseldorf des ausgehenden 19ten Jahrhunderts.

Fischereirechte waren in Händen der Obrigkeit. Die Herren von Eller befischten den Schwarzbach, die Herren von Hardenberg die Anger. Die von Einenburg oder Landskron die Düssel. Man verkaufte die Rechte aber auch an die Bürgerschaft. Die Hammer "Raubfischer" drangen ins Kurkölnische vor. Sie behaupteten, der Rhein gehöre bis "einige Schritte vom Ufer" zu Düsseldorf.

Standfische, die das ganze Jahr den Rhein bevölkerten, waren Karpfen, Hecht und Barben. Wanderfische waren Aal, Stör, Lachs und Maifisch. Der Salm, wie wir holländisch für Lachs sagen, war der Brotfisch der Düsseldorfer, erst später der robustere Aal. Salmwippe und Aalschokker gehörten zum Düsseldorfer Stadtbild.

Die Dynastie Maassen fischte im Hammer Bereich. 30 Männer waren mit dem Fang beschäftigt, 40 weitere im Handel. In der Bergerstraße bot man russischen Kaviar und englische Austern. Sechs Männer bildeten den ersten "Plog" von Mitternacht bis Dämmerung, dann kam der zweite.

Carl, der erste Maassen, kam nach den napoleonischen Befreiungskriegen mit einer hübschen Jacqueline aus Paris nach Düsseldorf. Carl der zweite wurde Lebensretter, Carl der fünfte mit zu viel "savoir vivre" im Blut musste alles verkaufen. Sein Name auf der Bergerstraße wurde getilgt.

Spaziergang durch die Kriminal-Geschichte

Wir stehen an der Gruselecke Schulstraße 3, wo einst die Schülerbande "Das Rote U" Verbrecher jagte: von der Citadellstraße in die "Villa Jück". Wie still es hier ist.

Das war nicht immer so: 1854 zählte man an der Schulstraße an einem einzigen Sommermorgen: 8 Postwagen, 13 Droschken, 86 große Karren, 223 Hundekarren. Ein Lehrer wurde beurlaubt, weil es ihm laut ärztlicher Anweisung untersagt wurde, "sich den Anstrengungen zu unterziehen, welche das stete Geräusch auf der Straße notwendig macht". Armer Lehrer!

Im "Schiffchen" wird es schon lauter

Wir befinden uns in der Hafenstraße und schließen die Augen. Karl Blume, der Komponist aller Löns-Lieder, sang hier 1915 bei einem Fronturlaub zum ersten Mal "Grün ist die Heide".

Und schönste Erinnerungen an den Vater des Autors werden wach. Es sind die Löns-Lieder vom Jäger-Vater am Klavier mit Laura seiner Frau, die er immer Lore nannte. Er konnte eigentlich nicht singen. Das hier war die Ausnahme.

Mit Inbrunst und geschlossenen Augen sang er dann zusammen mit seiner Lore:

"Horch, wie der Tauber ruft, o Du Du Du,

und seine Taube hört ihm zu zu zu.

Was wohl die Tauben tun, o Du Du du,

wozu sind wir im Maien, wozu wozu?"

 

Autor: Dieter Jaeger  /  Redaktion: Bruno Reble  © Geschichtswerkstatt Düsseldorf 2023