Montag, 31. Mai 2021

"Übrigens gefall ich mir prächtig hier"

Felix Mendelssohn über seine Zeit in Düsseldorf

Sein Denkmal stürzte zweimal: von den Nazis wurde es aus anti-semitischen Gründen demontiert und 1940 für Kriegszwecke eingeschmolzen. Dann 2012 eine Rekonstruktion, die aus statischen Gründen wieder abgebaut werden musste, wegen der ungesicherten Aufstellung im Sumpfboden des ehemaligen Mühlenteichs LANDSCRON. Heute wird es zum dritten Mal (gesicherter) aufgestellt.

Da schaut er nun auf die Mühlenstraße, die Urstraße Düsseldorfer Musik… de.wikipedia.org/wiki/Datei:D%C3%BCsseldorf,_Felix_Mendelssohn_Bartholdy_Denkmal_(2012)_(1).jpg

Jan Wellem nutzte das alte Komödienhaus aus Zeiten von Wilhelm dem Reichen. Dieser ließ 1585 für die Hochzeit  von Jacobe von Baden ein weiteres Theater im Freien in Pempelfort bauen, das war die gedachte Verlängerung der Mühlenstraße.

Schon die Griechen kannten Drama, Lyrik und Epik

Beim Drama unterschieden sie zwischen Tragödie für den Adel und Komödie für das Volk. Tanz, Musik und Gesang gab es bei beiden, eine Art Umzug mit Gesang. Die Komödie mit „happy end“ war populärer. Das Wort steht schließlich für Theater schlechthin. Das erste Theater in der Mühlenstraße hieß "Komödienhaus", ebenso das zweite am Markt. Theaterhäuser sind oft Komödienhäuser wie die „Comedia dell‘ arte“, die italienische Berufsschauspielkunst in Venedig und Neapel oder dieComédie Française“ in Paris, das berühmteste Theater überhaupt.

Komödie kommt von "Komos" = Singende Prozession für Dionysos, den Gott der Liebe, das lieben die Leute. Theater vor und auf der Bühne, vor der Bühne oft lustiger als das jeweilige Stück. Die Moucheurs traten in Aktion. Dies war ein alter Theaterberuf (vor Erfindung des Gaslichts); ihre Aufgabe, die Kerzen zu schnäuzen und Faxen zu machten. Die Rampensäue versuchten, dagegen zu halten. Das Licht kam von unten an die Rampe und verzerrte ihre Gesichter zu Fratzen. Das Parkett der Zuschauer musste eingezäunt werden (wie ein parc), sonst wären die Unterschiede verwischt worden.

Theater war Volksbelustigung

Erst die Oper macht es wieder salonfähig. "opera in musica" nannten die Italiener ihre "Musikwerke". Italien kehrt zu den Griechen zurück. Theater, Musik, Tanz, Tragödie und Komödie vereint, wie bei Shakespeare.

"Hofoper" nannte der Kurfürst Jan Wellem jetzt sein Haus, das alte Komödienhaus in der Mühlenstraße. Damit wird es von der Volksbelustigung abgegrenzt. Händel kauft hier seine Kastraten. „Lully“ wird für Deutschland uraufgeführt. Philipp Wilhelm, der Vater von Jan Wellem hatte für Theaterfeste den Hofgarten dazu genommen und zehn Pferde zwei Jahre lang trainiert, "damit sie artig tanzten".

Immermann nimmt das verlachte Haus am Markt und macht daraus seine "Musterbühne", der Oper ebenbürtig. Die Oper brauchte er nicht mehr, auch Felix Mendelssohn mag sie nicht. Allerdings verdankt er ihr seinen Weltruhm mit der "Ouvertüre zum Mitternachtstraum", ein Jugendstreich geschrieben als Siebzehnjähriger. Im Komödienhaus am Markt spielen beide natürlich auch 'Opern`.

Wenn die Ratinger die Straße der Kunst ist, so ist die Mühlenstraße die der Musik. 150 Jahre lang wurde hier musiziert: von 1559 bis 1720. Die Musiker Jan Wellems bilden den Grundstock der berühmten Mannheimer Schule. Das Haus (heute Säulen-Eingang zum alten Amtsgericht) wird später die Residenz.

Wegen der Düssel nennt man den Weg auch Straße des Pferde-Marstalls und des Tummelhauses (Reitschule), Militär also und Regierung, eine Sackgasse, geschützt durch eine Bastion. Der vorletzte Kurfürst Carl Theodor macht dann aus der Straße, gestützt durch die Jesuiten, eine Universitätsstraße (Theologie, Juristische Akademie, Collegium Chirurgicum).

Sie diente immer höheren Zwecken, daher kann hier keine Kneipenszene entstehen. Der Altstadtherbst 2004 ließ noch einmal im großartigen Foyer des Gerichts die alte Herrlichkeit erstehen. Im Keller, wenn man Glück hat, steht noch das Tor zur Residenz.

Felix sieht von seinem Denkmal auf eine große Tradition

Im September 1833 nimmt Schadow ihn in seine Wohnung "Goldener Helm", Flingerstr.1, nur ein Katzensprung bis zum Theater. Dort stand Jan Wellem hoch zu Ross und ein hässliches Gebäude, das man 1749 zu hohem Besuch aus dem großen Gießereihaus des Grupello gebaut hatte. Überall Jubelsprüche:

"Steh auf, steh auf, betrübtes Herz / das Seufzen und der lange Schmerz /
hat ein beglücktes End genommen / der Theodor ist angekommen"

Aber er ging gleich wieder, der Carl Theodor. Auch das Theater ging dahin. Überschwemmungen hatten es mürbe gemacht, "ein nichtswürdiges Lokal, man wusste nicht, was man unter den Füßen hatte, alter Boden oder reiner Müll, einmal bricht ein dicker Mann mit seinem Bein durch den Boden der Loge, eine Dame darunter fällt in Ohnmacht vor Schreck über den dunklen Körper, der so plötzlich über ihrem Kopf hängt..." (Immermann)

Immermann und Mendelssohn, zwei Genies, das geht nicht gut. Der 24 jährige Felix war schon ein Weltstar, der 37 jährige "Intendant" fing gerade erst an. Für die Oper brauchten sie einander.

Düsseldorf um 1830

selten sah man in einer unbedeutenden Provinzstadt so viele Stars aus Malerei, Musik und Dichtung. Personen in hohen Stellungen unterstützten das Ganze, bildeten den "Düsseldorfer Musikverein".

"Neulich kam ich nach Hause, auf dem Schreibtisch zwei Stühle, der Ofenschirm lag unter dem Klavier, im Bett lagen ein paar Stiefel, Kamm und Bürste: Bendemann und Jordan hatten mir das als Visitenkarte hinterlassen, so sieht es im Düsseldorfer Musikwesen aus"
Häuser und Zimmer lagen ebenfalls dicht nebeneinander: "meine Nachbarin, die ihr Klavier an die Wand neben der meinigen gestellt hat (…) immer dieselben Fehler macht, auch wenn ihr Lehrer die richtige Note 17mal nacheinander anschlägt"

Quelle: musikverein-duesseldorf.de/felix-mendelssohn-bartholdy-43/

Lustiges Treiben am Rhein

Mendelssohn war kein Freund von Traurigkeit und empfand seinen Aufenthalt in Düsseldorf als ungemein angenehm.
"Hier geht es jetzt lustig her, und neben jedem Mummelack am Himmel hängt eine Geige, d.h. er hängt ganz voll".
"Die Königin von Bayern habe ich gesehen, aber nicht in Galla, sondern ich saß im Kahn, und wollte nebst zwei anderen eben in den Rhein springen, da kam sie auf ihrem Dampfboot an; - da wir nun alle keine Schwimmhosen hatten (…) so sprangen wir à tempo ins Wasser (…) und besahen von da alle Zeremonien…"
"Aber heut ist Kirmeß, das heißt, ganz Düsseldorf trinkt Wein, nicht als ob‘s das nicht jeden anderen Tag auch thäte, aber es geht spazieren dabei (…) es wird getanzt (in der gräßlichen Hitze) und gejubelt und sich betrunken, und wilde Tiere gezeigt (..) und Waffeln auf offener Straße gebacken. Als neugieriger Zuschauer muss ich noch spät abends hin, jetzt aber erst mich etwas in den Rhein stürzen mit vielen Malern…"

Quelle: Felix Mendelssohn Bartholdy, Briefe aus den Jahren 1833 bis 1847, bei books.google.de

Die riesigen Chöre und Orchester (oft mehrere hundert Teilnehmer) bestanden hauptsächlich aus Laien. Militärmusiker wurden hinzugezogen. Disziplin war neu.

"Herr George stört durch auffälliges Niesen in der gestrigen Vorstellung". Herr George wehrt sich.
"Ich erlaube mir zu fragen, wem es nicht widerfahren ist, durch Schnupfen zu niesen, ob das deshalb strafbar ist?"
"Beim <Glücklich allein ist die Seele, die liebt> hab ich eine Partitur entzweigeschlagen, vor Ärger über die dummen Musici, sie prügeln sich gern im Orchester" musikverein-duesseldorf.de/felix-mendelssohn-bartholdy-33/  Schumann wird später an dieser Disziplinlosigkeit zerbrechen.

Zwei Bäcker kämpften in der ersten Zeit der Preußenherrschaft um die Backhoheit in Düsseldorf, der eine erträumt aus seinem Garten die spätere "Tonhalle", der andere (viel später) aus seinem Park das "Schauspielhaus". Der Flinger Steinweg (heute Schadowstraße, damals „janz weit draußen“) war der bevorzugte Bereich der Düsseldorfer Gartenwirtschaften.

Die Niederrheinischen Musikfeste entstehen

Das erste Fest dieser Art unter Burgmüller fand 1818 noch im Schloss statt, später dann in Beckers Garten, eine Art Bretterbude mit Zeltdach am Flinger Steinweg. 1851 singt hier Jenny Lind, die "schwedische Nachtigall". Es war August und heiß, nur mit Mühe überredet sie die Freundin Clara Schumann. Dann wurde gezaubert. Um ihr Podest, unter Blumen versteckt, ein Haufen Eisblöcke, über ihr im Zelt ein Loch mit Windfang, so dass noch der kleinste Hauch ihr Haupt umspielte.

Die großen Pfingsttage der "Niederrheinischen Musikfeste" finden hier statt, eine Idee des Organisten Schornstein aus Elberfeld, im Wechsel mit Köln, Elberfeld, später auch Aachen. 1833 dirigiert Mendelssohn so bravourös, dass er sofort als Musikdirektor engagiert wird. 1835 verlässt er vorzeitig Düsseldorf, um Chef des weltberühmten Leipziger Gewandhausorchesters zu werden. Die Musikfeste dirigiert er weiter, auch in Düsseldorf.

1863 kauft die Stadt die Bruchbude und macht daraus die spätere "Tonhalle" mit Kaiser- und Rittersaal.

Die "Musikfeste" machen Düsseldorf zum kleinen Leipzig. Bis 1957 wirken hier berühmte Leute: Schumann als Chef, Lortzing singt mit, der Komponist von Zar und Zimmermann. Mendelssohn hat Händel und Bach und eigentlich auch Shakespeare neu entdeckt. Er gründet 1842 das allererste Konservatorium. Er war der "Mozart des 19. Jahrhunderts". (Schumann)

Mendelssohn wie auch Heine wurden jüdisch geboren und später protestantisch getauft. Das war ihr "billet d´entrée" in die Gesellschaft, so hat es Heine formuliert. Der christlich preußische Name Bartholdy wurde einfach angehängt.

Dem „tumben Germanen“ Richard Wagner gefällt das nicht. Er schreibt 1850 ein erbärmliches Pamphlet: "Das Judentum und die Musik" und prägt damit bestimmte intellektuelle Kreise (bis heute).

Ich mag Wagner nicht, ich mag Mendelssohn!

Autor: Dieter Jaeger  |  Redaktion: Bruno Reble  |  © Geschichtswerkstatt Düsseldorf 2021
Weitere Infos bei de.wikipedia.org/wiki/Felix_Mendelssohn_Bartholdy

Samstag, 1. Mai 2021

Joseph Beuys – ein „enfant terrible“ der Kunstakademie Düsseldorf

Wie braun war Beuys? fragte dieser Tage die ZEIT. Rot war er sicher nicht, auch nicht richtig grün, vielleicht schwarz? Oder ein Phantasievogel wie Karl May im "Wilden Kurdistan" mit der Kriegslegende von Krim-Tataren, die ihn nach einem Absturz angeblich mit wärmendem Filz geheilt haben sollen? 

Eher war Beuys ein Wirrkopf, jedenfalls nach Meinung von Nobelpreisträger Günter Grass, Studienkollege an der Kunstakademie nach dem Krieg: „Lief auf Jesuslatschen und war anthroposophisch angehaucht (…) ein umgänglicher Typ. Aber wenn er anfing über Philosophie zu reden – ein Stuss!“

Auf jeden Fall war Beuys ein Natur-Schwärmer, der Bäume umarmte, damals schon. Seine Werke sind Legion, seine Hasser oder Bewunderer ebenfalls. Er passt in keinen Katalog und reiht sich ein in die Reihe der "schrecklichen Kinder".

Die Welt liebte ihn, gabt ihm ihre besten Museen, in Canberra z.B. ein ganzes Haus. In Düsseldorf erinnern an ihn eher skurrile kleine Objekte: das Ofenrohr, der Eichenbaum, die Fettecke, das blaue Fenster(seien Sie nett zu der Dame in der Andreasstraße, dann macht sie das Licht an). "Dritter Saal rechts, Kopf nach rechts und wieder raus", der Cerberus gibt nur ungern den Schlüssel. Beuys war zur Touristenattraktion geworden. Der Kutschenfranz erzählte gern Geschichten über die Kneipen, in denen er verkehrte: "Bobbys Schnapsbude" z.B. oder den "Ohme Jupp".

Wir sind in der Kunstakademie angelangt, jenem stolzen Renaissancebau der falschen Renaissance auf dem Eiskellerberg, in dem es kein Eis mehr gibt, auf dem Hafenufer ohne Hafen, im prächtigen Haus ohne Haupteingang. Es ist ein Gebäude der "alten Männer", eine "Kunstrumpelkammer" der "Wolfsschluchtromantik", eine "Versorgungsanstalt für Professoren". Man malte neckische Genrebilder und Tiere: Kunstakademie ohne Kunst. Gewerbe kommt auf. Das Kaiserreich verlangte Schlachtenbilder. "Abschaffen!" hieß es 1919 nach sinnlosem Gemetzel und verlorenen Schlachten.

„50 Pfennig Eintritt“ stand im Baedeker als Abgesang, um die Reste der Sammlung von 1805 zu sehen. Die "Reste", das war allerdings Gewaltiges. Es waren die Reste der nach München 1805 abtransportierten Gemäldegalerie Jan Wellems.

Kunst kommt aus Düsseldorf

hieß es schon 1709. Die Sammlung von Kurfürst Jan Wellem war eines der ersten Museen Europas überhaupt. Hinter den hohen Fenstern des Ostflügels der Galerie, dem letzten noch heute existierenden Rest, sind sie alle gewesen, die berühmtesten Geister im 18.Jht: Goethe brauchte nur über die Straße zu gehen, wenn er im "Prinz von Oranien" vom Frühstückstisch aufstand. Wir Nachgeborenen landen bei diesem Unternehmen allerdings im "Pissoir", vielleicht um dort über die Vergänglichkeit der Kunst zu reflektieren.

Der erste kritische Katalog eines Museums stammt von Pigage: 500 Gemälde, darunter Raffael, Michelangelo, da Vinci, Dyck, Brueghel und vor allem 40mal Rubens, dessen Bilder ihm sein Großvater Wolfgang Wilhelm, der mit dem Meister befreundet war, vererbt hatte.

Akademien waren "in". Alle eiferten der Pariser "Ecole des Beaux Arts" nach und natürlich der ersten Akademie überhaupt: der Medici Akademie in Florenz 1563. Krahe hatte dies verstanden. Goltstein, feindlich gesinnt, wirft ihn aus dem Grupellohaus (1766-69). Krahe bekommt für seine 15 Schüler ein Zimmer im Marstall von Waffenschmied Bongard auf der Mühlenstraße, dann ein Gebäude Ecke Hafen / Akademiestr, dann ein elendes Zimmer im Franziskanerkloster, zuletzt das Schloss (1819-1875), also endlich dort, wo der Ruhm angefangen hatte. Erst 1830 heißt es wieder: "Kunst kommt aus Düsseldorf"

"Wir waren Weltklasse"

heißt es in der Ausstellung "Düsseldorfer Malerschule" von 2011 und das waren sie auch. 4000 Maler und Malerinnen in vier Generationen aus aller Welt. Und in alle Welt ging auch ihre Kunst. "Washington überquert den Delaware" hängt im Kapitol, ein Heiligtum. Die Statisten stammen aus der „Retematäng“.

Die Hippies aus Rom, die ersten "schrecklichen Kinder" Cornelius und Schadow, langhaarig wie Jesus, "Nazarener" oder "Insassen Jerusalems", aber keusch waren sie nicht: "Nie sah ich einen göttlicheren Oberleib“ (ein Zeitgenosse über die italienische Ehefrau von Cornelius). Düsseldorf war die "Aula Italiens", der romantische Vorhof zum Paradies.

Die Rivalen Dresden, München, später Berlin (alles Residenzen) werden überflügelt, vor allem auch, weil sich Genies aus Literatur und Musik anschlossen (Grabbe, Mendelssohn Bartholdy) Party am laufenden Band. "Wenn ich davonschleichen wollte, fasste mich Gräfin Haak und ließ mich nicht mehr los" (Uechtritz).

Schadow wurden im "Goldenen Helm" Ständchen gebracht, Wilhelm Busch und Anselm Feuerbach vielleicht dabei. Thoma, Böcklin, Friedrich, Modersohn waren alle Düsseldorf Schüler. Dem Wunderkind Mintrop, der die meisten Heiligenbilder malte, gab man später die unheiligste Straße. Das andere Wunderkind Rethel, der den Tod malte, bekam später die Straße des bezahlten Lebens, den Puff.
Revolution - 1848 / 49 ! 

Vorbei mit der Kirchen- und Bibelgeschichte, vorbei auch mit Germanien. Die Maler sind vorne dabei: Hübner, auch Lessing, Hasenclever, Heine, Schroedter, Leutze. Von den 66 Offizieren der "Bürgerwehr" waren 11 Maler. Einer von ihnen, der Polnische Adlige Ludwig von Milewski wird bei Barrikadenkämpfen auf der Hunsrückstraße von Preußischem Militär erschossen.
Aus "Hansens Penn" Ratingerstr.3 wird der "Malkasten", eine Art "Apo" der außerakademischen Malerei. Die letzte Phase der Malerschule, die Landschaftsmalerei (Schirmer, Achenbach) wird zunehmend kritisch, sozial, engagiert.

Der rebellierende Malkasten wird schnell satt, aus den harmlosen Sommer- und Winterfesten wird 1877 das preußische "Kaiserfest". Auf dem Höhepunkt des Ruhms 1875, als die Akademie gebaut wurde, war eigentlich schon alles vorbei. "Akademisch" war jetzt ein Schimpfwort: erstarrt, verzopft, verregelt.
In den letzten Jahren der "Schule" bis 1819 entstehen aber auch die Brotgeber, die Vereine (1829 als Pionier der "Kunstverein"), die Ausstellungen, die Museen. Die später verachteten Direktoren der Akademie (Janssen, Gebhardt, Roeber) waren die Organisatoren. (1874 Kunsthalle, 1913 Kunstpalast, 1928 Kunstmuseum). Sie haben auch unsere Kirchen geschmückt und große Denkmäler gebaut.
Die verschlafene Akademie wacht auf. In Dresden hatte man schon 1905 "Die Brücke", in München 1908 den "Blauen Reiter", in Köln 1912 den"Sonderbund". Aber dann eine Explosion der vergessenen Generation.

1919 Junges Rheinland

und wieder wird Düsseldorf die Nummer eins mit dem Ruf "Kunst kommt aus Düsseldorf".
Angefangen hatte es mit einer Bäckersfrau und Kaffee und Kuchen in der Ratingerstr.45, wo einst Immermann in Liebeslust mit der so viel jüngeren Marianne starb. Ihr Name: „Mutter Ey“, wie sie in Künstlerkreisen genannt wird. Sie schart Genies um sich: 1910 zuerst Pankok und Wollheim. Johanna Ey ließ anschreiben und nahm Gemälde an. Im Krieg verkaufte sie ihre Sammlung für 500 Mark und zog 1916 um die Ecke zum Hindenburgwall 11 in ein Zimmer für 35 Mark Miete im Monat. Zunächst ein Bilderladen der üblichen Art. 1919 räumte sie ihr Schaufenster und war von nun an "Neue Kunst, Frau Ey". Besucher: Ringelnatz, van der Velde, Brigitte Helm, Lilian Harvey. Sie wurde der Mittelpunkt der "schrecklichen Kinder" Adler, Kaufmann, Lauterbach, Eulenberg, Clarenbach, Uzarski, Pudlich, Schwesig, die Weltstars Otto Dix und Max Ernst.

"Am nächsten Tag Johlen, Schreien, als ob jemand ermordet worden war"(Ey). Rechte Kreise protestieren unter dem Vorwand des "gesunden Volksempfindens". 1933 wird man Rübsams "Infanterie 39" zerstören. "Entartete Kunst", die Nazis ermorden später Monjau und Ludwigs.

Nach dem Krieg geht es hier weiter. Wilhelm startet1957 die "Gallerie 22" in der Kaiserstr 22 im 3. Stock eines Kaufhauses. Mit dem genialen Hoehme (Gruppe 53) entdeckt die "übersprungene Generation", "Informel" und "Tachismus". Schon 1948 hatte Doede England, Niederlande, Frankreich näher gebracht, 1950 lädt er Henry Moore ein, 1953 kommt Amerika mit Pollock.

1957 das entscheidende Jahr

Alfred Schmela wird Nachfolger der "Mutter Ey". Gut, dass sie zusammen sind in der winzigen Straße. die ihren Namen trägt. In einem gesichtslosen Viertel laden Piene und Mack zu ihren "Abendveranstaltungen" ein. Uecker stößt dazu.

ZERO war geboren. Uriger wird es 1967 im alten Malerviertel, im "Cream Cheese". Hinter der Theke Moora, so schön, wie das "Ey" immer sein wollte .Man brauchte nicht in die Portobello Road nach London zu fahren, nicht zu den Existenzialisten am Boulevard Saint Germain in Paris oder ins Studio 54 nach Manhattan. Sie waren alle hier: in der Neubrückstr.12.

Tinguely aus der Schweiz, Fontana aus Italien, Yves Klein aus Frankreich und der berühmteste: Andy Warhol.  "Cream cheese", hatte Zappa gerufen und die blauen Laserstrahlen riefen weiße Fusel auf unseren Anzügen hervor und falsche Zähne. Das Lokal war so berühmt. dass es Stück für Stück ins Kunstmuseum wanderte, eine "Kneipe ohne Bier".

Beuys ist nicht vom Himmel gefallen." Fluxus" war schon da. Die Zero Künstler schwärmten von der Bewegung, von den Griechen: "Alles fließt". Auch der Schabernack: 1963 bildete Gerhard Richter mit Freund Lueg "Lebendige Skulpturen" im Möbelhaus "Berges" in der Flingerstraße.

"Fluxus" ein medizinischer Ausdruck für "Dünnschiss"

Es fließt schnell durch die Kunstwelt: "a pain in the ass" von dem Litauer Maciunas in Manhattan gegründet, "Dada" ein Schock, dann im Februar 1963 ein 2 Tage "Festum" in der Aula der Akademie. Beuys als Organisator. Wilhelm hält die Rede, Musiker Nam June Paik, Wolf Vostell, Spörri, Schmela (fehlte nur Ono und Lennon). Hier entsteht der Hase, weil Beuys keinen Hirsch auftreiben konnte, statt Hut eine richtige Melone, und jetzt unappetitlich: die Unterhosen der Alison Knowles im Publikum, der Pinkelwettbewerb. Nun ja, als später Beuys die Geige Paiks zertrümmerte, fand dieser das nicht mehr so lustig.

Beuys fiel in die 68er, eine verrückte Zeit, der Sex explodierte in alle Richtungen, die Popmusik auch, Kamele fand man im Lift der Akademie. 1972 wurde Beuys als Professor fristlos entlassen. Dies geschah nach einer Serie von Konfrontationen und Provokationen auf Anordnung des damaligen NRW-Wissenschaftsminister Johannes Rau". 1973 wurde er in einer spektakulären Aktion heimgeholt" (genau 200 Jahre nach Entstehung der Akademie1773) und zwar im Einbaum von seinem Meisterschüler Anatol über den Rhein. Auf dem Bild steht er vorne, wie einst George Washington am Delaware, der Kämpfer für Unabhängigkeit und Freiheit.

Josef Beuys und was nun?

fragte 1980 Helga Meister in ihrer exzellenten Übersicht "Kunst in Düsseldorf". Keine Bange.
Wieder hat Düsseldorf die wohl beste, zumindest berühmteste Akademie: eine Phalanx weltberühmter Namen (einige heute schon tot): Gerhard Richter, June Paik, Siegmar Polke, Klaus Rinke,Tony Cragg, Markus Lüpertz, Jörg Immendorf, Katherina Fritsch, Katherina Sieverding...

Die Einheimischen sind in dieser Erkenntnis ziemlich ungerührt. Die Rheinische Post in ihrer 75 Jahre- Ausgabe vom 19. April 2021 erwähnt die Kunst mit keiner Zeile.
Lore Lorentz (sinngemäß wiedergegeben) "Das Schöne am Düsseldorfer ist, dass er gar nicht weiß, wie berühmt seine Stadt ist (…) und wenn er es wüsste, würde es ihn nicht sonderlich berühren."

Heinrich Heine als großes Vorbild hielt es ähnlich. Er kam immer vom Feierlichen schnell zurück auf die Erde. Nach seinem stolzen Satz "ich bin des freien Rheins noch weit freierer Sohn" folgt ein heiterer Schluss:

"Ich bin geboren am Ufer jenes Stroms, auf dessen Hängen die Torheit wächst."


Autor: Dieter Jaeger  /  Redaktion: Bruno Reble  /  © 2021 Geschichtswerkstatt Düsseldorf