Donnerstag, 11. August 2011

"Das Dreischeibenhaus ist leer - Ende einer Epoche" von Dieter Jaeger


Thyssen-Krupp verlässt  Düsseldorf. Essen gewinnt.  Wie kam das Ruhrgebiet nach Düsseldorf? Ein Rückblick.

Die Familie Krupp war schon seit einer der ersten Hütten, der „Gute Hoffnungs Hütte“ dabei. Die Krupps, Weinhändler aus dem Moseltal, waren im 17.Jh nach Essen gekommen und dort als Kaufleute wohlhabend geworden.

Witwe Helene Amalie Krupp schenkt 1805 ihrem Enkel Friedrich Krupp die Hütte, revidiert das Ganze aber, als sie sieht, dass Friedrich nicht mit Geld umgehen konnte. So gibt sie die Hütte ihrem Bergwerkschef Gottlob Jacobi, der sich wiederum mit seiner Verwandtschaft Franz Haniel und dessen Verwandten Heinrich Huyssen zusammentut. Alle waren ursprünglich holländische Protestanten, wie Ur Krupp selbst auch.

Die erste Hütte war ein Possenspiel gewesen.

Im Flickenteppich deutscher Fürstentümer, (hier in Sterkrade waren es das Dreiländereck: Preussen, Köln und Essen) entstanden im Streit um das Wasser des Elpbaches drei Hütten dicht nebeneinander: Antony 1758, Gute Hoffnung 1781 und Neu- Essen 1782. Gefeuert wurde noch mit Holzkohle, das Eisen kam vom Rasenerz der Emscherwiesen und den Blasebalg betrieb der Bach. Der Streit geriet zum kleinen Krieg. Die Fürstäbtissin von Essen nahm mit einer  Hausarmee den Hüttenchef Pfandhöfer von Antony gefangen, Preussen schlug zurück und verhaftete den Hüttenchef Jacobi. Das Possenspiel gewinnt die alte Dame Krupp. Sie kauft schließlich alle drei Hütten.

Friedrich Krupp war doch nicht so ohne. 1811 gründet er die Gussstahlfabrik in Essen und damit den Anfang vom Mythos Krupp. Sein Sohn Alfred erfindet 1852 die nahtlosen Eisenbahnreifen (Krupplogo: drei Ringe), dann die größten Kanonen der Welt und die Villa Hügel. Der Rest ist bekannt

Krupp hat sich ziemlich lange aus Düsseldorf herausgehalten.

August Thyssen Kaufmannsohn aus Eschweiler, hat fast alle großen Namen geschluckt, bis auf Krupp eben. Thyssen ist 20 Jahre jünger als Alfred Krupp. Er wird als erster die vertikale Struktur seiner Fabriken einrichten (alles in einer Hand: vom Bergwerk bis zur Eisenverarbeitung) er wird als erster zu großen Zusammenschlüssen drängen. Thyssen fing in Mülheim an, bei den Ursprüngen an der Ruhr also.

Franz Haniel und Mathias Stinnes sind Kohleschiffer auf der Ruhr (Mülheim), Franz Dinnendahl nebenan aus Essen liefert die ersten Dampfmaschinen, Friedrich Harkort sitzt auf Burg Wetter ebenfalls an der Ruhr

Eifel und Siegerland, zwei alte Bergbaugebiete, sind Geburtshelfer des Ruhrgebiets

Die Eifel liefert die Eisenschmiede der Poensgen in Gemünd und die Kohlemulde Eschweiler Aachen

Poensgen geht 1860 nach Ddorf, er schluckt zwar die Belgier Piedboeuf, Gobiet u.a., geht dann aber in der Phönix und in Thyssen auf

Aus Eschweiler kommen: die „Rote Erde“ von Piedboeuf,  Phönix, Hoesch und Thyssen. Sie sind am nächsten bei den Belgiern aus Lüttich und  Brüssel, die die ersten gelehrigen Schüler der Engländer waren.

Das Siegerland bringt Pfandhöfer und Jacobi: die ersten Hüttenchefs 

Die Phönix war eine belgische Gesellschaft aus Eschweiler, sie hatte die“Rote Erde“ mitgeschaffen, zieht nach Kupferdreh, dann Hörde Dortmund, schluckt bald die Poensgen. Thyssen wird Chef der Phönix.

Hoesch aus Eschweiler macht Dortmund Hörde groß, geht dann in Thyssen und Krupp auf.

Thomas Mulvany aus Irland erfindet Düsseldorf als den „Schreibtisch des Ruhrgebiets“. Trotz vieler eigener  Produktionen im Pott selbst (Gelsenkirchen, Dortmund) residiert er von Anfang an(1852) in Ddorf.

Friedrich Harkort, Maschinenbauer und Eisenbahnpionier auf Burg Wetter an der Ruhr, hatte sich den Engländer Edward Thomas aus Pempelfort geholt. Thomas arbeitete auf dem alten Jacobigut. (seit 1820). Durch Harkort erfährt Mulvany von Düsseldorf- Pempelfort.

Ddorf war die saubere Kunst- Residenzstadt mit großen Sälen (Tonhalle). Mulvany holt fast alle Verbände nach Ddorf.

Thyssen folgt dem Beispiel Mulvanys. Er legt seine Verwaltung nach Ddorf . 1926 entsteht die „Vestag“(Vereinigte Stahlwerke), zuerst auf der Roeberstr (heute Staatsanwaltschaft), dann auf der Kasernenstrasse. Schließlich das Dreischeibenhaus 1960.

Immer noch saß der große Mannesmann in Düsseldorf, weil Düsseldorf durch den ersten Röhrenexperten Poensgen zur europäischen Röhrenhauptstadt geworden war.

1970 teilen Mannesmann und Thyssen den Kuchen auf. Es gab nur noch drei Riesen: Thyssen, Mannesmann und Krupp. Das Mannesmann Desaster mit Vodafone ist jüngste Geschichte. 1997 versucht Krupp eine feindliche Übernahme von Thyssen, dann gehen beide zusammen.

Heute sieht alles danach aus, als ob die alte Dame Helene Amalie Krupp wieder einmal und letztlich die Oberhand behält.

Zum Weiterlesen:

Henning F. Düsseldorf und seine Wirtschaft 2 Bde, Düsseldorf 1981

Mittwoch, 3. August 2011

"Toulouser Allee - Klein Paris hat endlich sein französisches Viertel" von Dieter Jaeger

Jetzt kann man sie (noch etwas holprig) entlang fahren, die Hauptstraße des quartiers central, vom Wehrhahn bis zur Münsterbrücke

Hat lange gedauert, bis „Klein Paris“ eine französische Ecke bekommt Außer ein paar Schlachtfeldern im Militärviertel Derendorf und der Pariser Straße in Heerdt( angeblich fuhr hier die gestohlene Quadriga von Paris nach Hause) gab es nichts. Den Boulevard Napoleon (Heine Allee) gewiss, aber das ist lange her. Dabei waren wir fast eine französische Stadt (mit der Unterbrechung 1801-1805) von 1795 bis 1813, schließlich Hauptstadt sogar eines eher französischen als deutschen Staates „Grand Duche de Berg“.

Ab 2000 sprach man von einem Trödelmarkt im Güterbahnhof Derendorf (eine große Glashalle) als „Les Halles“, was im Düsseldorfer Slang liebevoll zu „Läsalles“ verwandelt wurde. Seit dieser Zeit wollte man hier etwas Französisches haben. Wenig später kam der Begriff „quartier central“ auf  für die neue „Dreibrückenstadt“ auf dem Terrain des ehemaligen Güterbahnhofs. Jetzt ist dort allerhand „Fronkreich“ vertreten: Ravelstr, Chagallstr, Pasteurstr, Toulousestr: seit 2003 gibt es Kooperationsabkommen mit Toulouse.  Stadtviertel heißen Ile, Flair, Quartis Les Halles, wobei neue Fronkreich Schöpfungen entstehen, die in keinem Wörterbuch zu finden sind: quartis z.B. oder flair, was eigentlich nur Hundeschnauze und deren Witterung meint

1845 fuhr durch die versumpfte Fläche zwischen Pempelfort und Düsselthal die Eisenbahn,
noch früher nahm man die Kutsche über Mönchweg(heutige Herder-Wieland) oder Düsselthaler Weg (heutige Rethel), auf einem Horrortrip zu den Trappisten im Kloster Düsselthal. Kein Tourist ließ sich das entgehen.

In ihren braunen Kutten wurden sie ohne Sarg in die feuchtkalte Erde gelegt, kein Kreuz rief ihren Namen, keine Blume durfte blühen, wo ihre Leiber vergingen. „Auf seinem Gesicht war die Leere des Gedächtnisses, die Armut des Ideenvorraths unverkennbar.“,  “Diese finstersten aller Klostermauern“, „Ein Strohsack, ein Totenkopf, ein Grabscheit, eine Hacke“,  so die Reisebeschreibungen berühmter Geister wie Georg Forster, der Weltumsegler(1791), Karl August Varnhagen von Ense, der Schriftsteller(1794), oder Aloys Wilhelm Schreiber, der Literaturprofessor und Vorgänger des Karl Baedeker (1795).

1845 wurde endlich die seit den 30iger Jahren umkämpfte Idee einer Bahnverbindung Rhein- Weser mit der „Cölln Mindener Gesellschaft“ begonnen. Als die beiden Bögen des Kopfbahnhofs vom Graf Adolf Platz 1863 verbunden werden(am Wehrhahn mündete die Verbindungsbahn) wurde es hier intensiv. Als die „Rheinische Bahn“( seit 1841 linksrheinisch tätig) ihren Wehrhahnbhf 1876 an die Rethelstr setzt, ist hier der Teufel los. Sie ging übrigens gleich hinter der Buschermühle wieder zurück zur Strecke am Bergfuß(heute die kerzengerade Franziskusstraße).

1876 wird die erste Brücke gebaut (Wehrhahn), der Düsselthaler Weg geht noch mit Schlagbaum über die Gleise, hier wird dann 1889 die Franklinbrücke und der neue Bahnhof Derendorf entstehen.

Seit 1885 Verstaatlichung der drei Bahnen (Bergisch Märkische, Cölln Mindener , Rheinische) und Umbau der Stadt mit HBf und den beiden Bahnhöfen  Süd(Bilk) und Nord(Derendorf) mit gewaltigem Rangierbahnhof.

Die Toulouser Allee oder „Entlastungsstraße“ (die Gegner schimpfen „Stadtautobahn“) liegt umrahmt von 8m hohen Schallwänden. Statt der alten „Ablaufberge“ der Güterzüge jetzt sanft ansteigende grüne Hänge.

Statt der „Galgengasse“ zum Schillerplatz jetzt „Bar Olio“ und „Cafe Halles“

Aber die Nutten von der Rethelstraße sind geblieben, wie die Urnutten von der Straße Saint Denis neben Les Halles in Paris.