Dienstag, 31. Mai 2011

"Der Köbogen" von Dieter Jaeger

Der „Köbogen“ war die vornehmste Adresse Düsseldorfs
In diesen Tagen wird der Grundstein gelegt für die Libeskind-Bauten am Köbogen

Ein Blick zurück:

Im 19. Jh. kristallisierten sich allmählich gute und schlechte Wohnviertel heraus.

Als vornehm galt es, in der relativ jungen Karlstadt zu wohnen (besonders Kasernenstraße zwischen Benrather- und Bastionstraße), dann in der neuen Friedrichstadt (Elisabeth - Friedrichstrasse), noch vornehmer um den Jägerhof herum, wo die preußischen Hoheiten Prinz Friedrich, dann Fürst Carl Anton von Hohenzollern residierten (sie waren eine Art neuer Jan Wellem). Die meisten Maler wohnten hier. Aber am vornehmsten galt, wer in der Hofgartenstraße wohnte: also in der Straße, die 1945 völlig verschwand und die demnächst „Köbogen“ heißen wird.

Die Straße ging von der Königsallee bis zum Hofgärtnerhaus (heute Theatermuseum). Sie hatte zur Hofseite hin Gartenanlagen mit der Freimaurerloge im Hintergrund und der ersten Düsseldorfer Wellnesanlage, dem „Friedrichsbad“, weiter nördlich begann die „Pempelforter Promenade“, d. h. der „Alte Hofgarten“ von 1769 mit dem „Runden Weiher“(Jröne Jong).

Zur Vorderseite gab es  den „Neuen Hofgarten“ von 1804 mit dem Mühlenweiher „Landskrone“.

Die Straße war also von zwei Parkanlagen und zwei Seen umrahmt. Schöner ging  es nicht.

In dieser Straße wohnten: der Hofmarschall des Prinzen Friedrich: Carl von Pritzelwitz, der sein Haus an den Bankier Christian Gottfried Trinkaus verkaufte, der Malerfürst Wilhelm von Schadow, der hier auch starb, der Fabrikant Franz Haniel, der mit seinem genialen Ingenieur Heinrich Lueg ganz Oberkassel aus dem Boden stampfte, Friedrich Wilhelm Brewer, der Bergwerkbesitzer, der auch das Gut der Jacobis gekauft hatte und damit die Lotterie der darob empörten Maler auslöste, die mit dem Lotteriegewinn den Jacobibesitz zurückkauften und so den Malkasten schufen.

Verfolgen wir noch einige Biographien genauer:

Trinkaus war als Sohn eines Haushofmeisters Ende des 18.Jh durch Heirat an das Erbe der damals wichtigsten Kaufleute Jaeger/ Pfeifer gekommen. Er schuf damit die erste wichtige Düsseldorfer Bank. Er war Vizepräsident der Handelskammer, die die Dampfschiffahrt und die erste Eisenbahn  ermöglichte. Als Besitzer von Schloss Elbroich gründete die Familie mit den eingeheirateten Heyes später im angrenzenden Gelände die „Industriegesellschaft Reisholz“ IDR und damit den größten Düsseldorfer Industriekomplex.

Der Kohlenhändler Haniel aus Ruhrort und sein Ingenieur Lueg haben nicht nur das Ruhrgebiet mit den ersten Tiefschächten revolutioniert. Die Haniel-Lueg Dynastie hat auch Düsseldorf entscheidend geprägt. Ihre  Lokomotivfabrik Hohenzollern entwickelte den Standort Grafenberg bis in unsere Tage. Die erste Brücke (Oberkasseler Brücke) geht auf sie zurück und damit der ganze Stadtteil Oberkassel. Sie haben die beiden großen Ausstellungen von 1880 und 1902 organisiert und damit die Stadtteile Zoo und Golzheim geschaffen.

Alle diese Leute wohnten in der Hofgartenstrasse.
Sie wird nur noch ein Fußweg im Hofgarten sein. Schade, die alte Hofgartenstrasse ist für immer dahin.

Zum Weiterlesen.
Else Rümmler, Erinnerungen von Düsseldorf und der Umgebung (Album von Caspar Scheuren), Berlin 1975.

"Lena in der ARENA" von Dieter Jaeger

Als 1925 die erste Arena, das „Rheinstadion“, gebaut wurde, waren gerade die Franzosen verjagt worden.  Hindenburg weihte das Stadion ein mit Bezug auf  „1000 Jahre Heiliges Römisches Reich deutscher Nation“. Der unselige Begriff „Tausendjähriges Reich“ waberte in den Köpfen. Die Ärzte feierten den Begriff ein Jahr später mit der größten Düsseldorf Show, der Ausstellung „GESOLEI“.

Die Stadt hatte schon 1902, lange vor der Eingemeindung, die Stockumer Höfe gekauft. Sie standen eh in enger Beziehung zu Düsseldorf durch ihren ersten Besitzer Arnold von Tyvern, der ja  einst vor den Grafen von Berg auch die Altstadt besaß. Das Rheinstadion(Sportarena und Schwimmstadion) wurde zwischen  Stockumer Höfe und  Fährstelle „Staad“ gesetzt.

1915, also vor dem Bau des Stadions, hatte Karl Wach (von ihm stammt das wunderschöne alte Arbeitsamt Roeberstraße) an der Schnellenburg die „Neue Kunstakademie“ geschaffen. Sie ist das Hauptstück unseres jetzigen Aquazoos, sie war auch der Kern der Naziausstellung 1937 „Schaffendes Volk“.

Aus der Ausstellung wird der „Nordpark“ mit grandioser Sichtachse von der Schnellenburg zum Schlageter-Kultdenkmal (heute Nornen am Nordfriedhof).

Das ist nun alles Geschichte. Es gibt kein Stockum mehr. Alle sechs Höfe (Buscher-, Göres- Holtes- Convent- Pütz-und Brinkmannshof) und ihre Straße „Stockumer Höfe“ sind verschwunden. Die Straße verlief vom Rittersitz Lohausen zur Treidelstation Schnellenburg. (Die heutige Straße „Stockumer Höfe“ ist Unsinn). Der Buscherhof lebt weiter in Beckbuschstr, der Holteshof war der wichtigste (statt Stockum sagte man auch Holthausen, dann Kirchholtes, dann Holteshof). Es ist der heutige Europaplatz im Messegewühl. Vom Conventshof mit der berühmten mittelalterlichen Kapelle ging (bis heute) die  Stockumer Kirchstraße ab.

Einige vornehme Wohnsiedlungen stammen aus der Zeit der 37- er Ausstellung: Dichterviertel, Blumenviertel, Märtyrerviertel (Leo Statz statt der Afrikakämpfer Lüderitz oder Peters, die die Nazis liebten). Aus dem Weiler Vogelsang wird das Vogelviertel (Amsel, Star und Meise) neben dem Flughafen, sie sind ja unsere ersten Flieger.

Das Rheinstadion war unser aller Traum, die ersten Liebesgeschichten, die schönsten aller Frauen auf den berühmten steinernen Stufen

1974 wird es von Tamms  umgebaut zur Fußballweltmeisterschaft, zum Leichtathletik- Weltcup 1977.

Deutschland-Jugoslawien 2:0, Deutschland-Schweden 4:2, 1988 Europameisterschaft: Deutschland-Italien 1:1

Auch die Messe mit den bombastischen Parkplätzen hatte man 1971 hierher geholt.

OB Erwin träumte 2001 in dieser Tradition von einer großen Arena weiter zur Fußballweltmeisterschaft 2006 und zur Olympiade 2012. Es kam anders,  und  für den großen Circus fehlten allerdings auch  die Artisten.

Immerhin 2004: Die  Einweihung der neuen Arena durch Fortuna- Berlin 2:0, 2008 Fortuna-Werder Bremen: Sieg für den Einzug in die 2.Liga

Am Anfang hieß sie LTU, weil der Sponsor (Lufttransportunion) ein Düsseldorfer war,

2009 heißt sie Esprit, weil aus dem Hippiepärchen Susie und Douglas Tomkins, die 1968 in San Franzisko selbst genähte Kleider verkauften, der Weltkonzern und Sponsor Esprit wird, der seine Hauptsitze in Hongkong, Bermuda und Ratingen hat.

Heute heißt sie einfach ARENA.

Bon Jovi, Madonna, die Rolling Stones sangen hier.

Und wenn Lena singt direkt neben dem Staad, tauchen sie vor meinem Auge  wieder auf: die uralten Prozessionen, die am Staad übersetzten von Mönchenwerth und Neuss auf dem Weg nach Kaiserswerth, an den sechs Stockumer Höfen vorbei.

Es waren andere Gesänge, gewiss, aber es war Musik: die große Kraft, die Menschen verbinden kann.

Zum Weiterlesen:
G. Fischer, Lohausen und Stockum, Düsseldorf 1989.






Glossendienstag

Nachdem es nun aufgrund von Urlaub der Webadministratorin länger keine Glosse von Dieter Jaeger gegeben hat, werden heute gleich zwei neue Glossen online gestellt.
Passend zum in Düsseldorf ausgetragenen ESC verfasste Dieter Jaeger eine Glosse über den Düsseldorfer Austragungsort.
Außerdem präsentieren wir Ihnen eine Glosse über den "Köbogen" gestern und heute.
Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen.

Ihre Geschichtswerkstatt Düsseldorf

Montag, 9. Mai 2011

Glossendienstag: Copacabana am Stresemannplatz (Dieter Jaeger)

Es war einmal eine sehr schöne Straße, die Visitenkarte von Düsseldorf, das billet d'éntree in die Stadt: die Rede ist von der Graf Adolf Straße, die 1890 eröffnet wurde. Sie führte vom neuen Hauptbahnhof zur Königsallee: eine Zierde der aufstrebenden Industriestadt, die verrücktesten Cafes, die aufwendigsten Restaurants, die aufregendsten Nachtclubs, die Strasse der neun Kinematographen, aber auch die Strasse der modernsten Geschäfte, die stolz die Produkte der Stadt (z. B. Werkzeugmaschinen) ausstellten.

Das ist nun alles Geschichte. Peep shows, Beate Uhse, Billigketten, lärmender Verkehr. Sechs Straßen münden in den Stresemannplatz, unter anderen die Ackerstraße vom alten Flingern her (Ackerhecke), jetzt Karlstraße genannt: alle schrecklich, am schrecklichsten die Straße, die den Namen des frömmsten aller Düsseldorfer Maler trägt: Mintropstraße. Theodor Mintrop malte immer Heilige und Madonnen. Unheilig geht es in seiner Straße zu. Der Babystrich ist nicht weit.

Nun versucht man, die Zeit zurückzudrehen. Ein Anfang war schon gemacht worden: neue Verkehrsführung, neue Fahradwege, neue Haltestellen. Dann folgte der große Coup: Copacabana am Stresemannplatz, latin feeling, 67 Yuccapalmen, nachts in goldenes Licht getaucht.

Geben wir dem Platz eine Chance! Wenn man die Augen halb schließt, die kaputten Autoreifen vergisst: Verheißung zwischen Mintrop- und Charlottenstraße mitten im Sündenbabel von Düsseldorf.

1860 hieß es hier: „am Tunnel“. Die Eisenbahn fuhr auf der jetzigen Graf Adolf Straße auf vier Gleisen nach Wuppertal oder nach Berlin. Der Bahnhof lag am Graf Adolf Platz. Der Tunnel unter den Gleisen führte von der Bahn- zur Ellerstraße. Unten: hastende Arbeiter auf dem Weg zur Maloche in Oberbilk,  oben: fauchende Lokomotiven. Nebenan: rauchende Schlote von acht großen Fabriken zwischen Oststrasse und jetzigem Stresemannplatz.

Es kann nur besser werden.


Zum Weiterlesen:

Hans Seeling, Die belgischen Anfänge der Eisen-und Stahlindustrie in Düsseldorf zwischen 1850 und 1860,   DüsseldorfJb 49,1959.

Montag, 2. Mai 2011

"Glossendienstag" - Die Inselstraße: Das Standesamt in altem Glanz (Dieter Jaeger)

Das Standesamt, das eine Zeit lang in die Mühlenstraße ausquartiert worden war, ist wunderbar renoviert an den alten Ort zurückgekehrt.

Die Inselstraße, in bester Wohnlage am Hofgarten, hatte im 19. Jh. viele solcher Prachthäuser. Neben dem heutigen Standesamt stand um 1850 die Villa Nuova, berühmt für die rauschenden Ballnächte der Maler, die hier ihre Sommereinzugs- und Winterauszugsfeste feierten.

Hinter der Inselstraße liegt die Scheibenstraße. Sie war gefährlich: Das Militär hatte dort seine Schießscheiben. Einige Bürger fürchteten um ihr Leben.  Auf eine Klage des Kommerzienrats Schmitz hin,  der am Bein verletzt worden war, stellte die Garnison einen Hauptmann ab, der hinter dem Schießwall die Kugeln zählen musste, die hinüber flogen. Schließlich mussten wegen der vielen Prozesse die Schießstände 1876 in den Aaper Wald verlegt werden.

Ganz früher führte die Inselstraße zur Golzheimer Insel, auf der hoch aufgerichtet bis etwa 1630 der Galgen stand. Alles in allem: eine gefährliche Gegend.

„Trau Dich“, heißt heute einer der Hochzeitsslogans. Ist Heiraten gefährlich?  Wir halten es mit dem Dichterwort: “Drum prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich das Herz zum Herzen findet.“ 


Zum Weiterlesen:
Friedrich Lau „Gemiedene Stätten bei Alt-Düsseldorf“
Düsseldorfer Jb 26, 1913/14

Wieder da - Dieter Jaegers Glossen

Dieter Jaegers beliebte Glossen werden nun wieder auf dem Internetauftritt der Geschichtswerkstatt Düsseldorf zu finden sein.
Jeden Dienstag wird die Geschichtswerkstatt eine Glosse veröffentlichen - sowohl im Weblog, als auch als PDF unter www.geschichtswerkstatt-duesseldorf.de - schauen Sie doch mal 'rein!

Und so heißt es am heutigen Dienstag, den 3. Mai 2011: Es ist "Glosssendienstag" und ganz im Sinne des royalen Hochzeitsfiebers geht es um das Düsseldorfer Standesamt.

Viel Spaß wünscht Ihre Geschichtswerkstatt Düsseldorf