Freitag, 28. Januar 2022

Hafen Rundgang 2022 mit Dieter Jaeger

Zuletzt hatte ich die Tour 2013 gemacht. Jetzt nach fast Jahren wollte ich sehen, wer geblieben ist nach Corona. Dabei muss die Zahl der Köche ein wenig reduziert werden. "Ich liebe Euch und Eure Kunst, aber es gibt zurzeit sehr, sehr viele von Euch, und sie sind überall.“ Die Köche sind die Meister unserer Zeit, sie erklären uns die Welt. Ihnen nahe kommen nur noch die "VIP Experten" und die "Influencer".

Verschwunden aus der Gastronomie sind: Portone,China Royal,Savini, Trockendock,Porters,Strom, Amanti, Amano, Minol, Shabby Chic, Gehrys, Il Molo, Patrick,Room, Bug,Pebbles, Kantinery, Havanna, Harpune, MK3,3001,Mojito, Tucan, Hafenbar, Breuers, Op de Eck.

Erster Eindruck: der Hafen ist ärmer, reduzierter geworden. Der Zauber des Anfangs ist dahin. Es gibt drei Hotspots: Gehry, Eigelstein, Kino. Wobei das Kino nicht fürs Essen taugt.
Vor allem (auch geschichtlich) zwei interessante Ecken: Gehry und Eigelstein.

A. Gehry

Der Zollhof stand hier, damals 1896 ein Hauptgrund, den Hafen zu bauen. Der alte Zollhof im Sicherheitshafen und die Distanz zum Urhafen Schulstraße, dazu die allgemeine Enge, die Unsicherheit am offenen Fluss, all dies forderte einen Neuanfang.

Der Zollhof war lange Zeit das einzige Gebäude im Hafen. In der Ruine Zollhof / Stromstr feierten wir 1985 Modeschauen und Popkonzerte. Die Brückenstraße hieß "Dorfstraße" und wies auf das Dorf Hamm hin, 1871 dann "Brückenstraße", weil sie zur Eisenbahnbrücke führte. Die Eisenbahn fuhr ziemlich gerade vom Bergisch-Märkischen Bahnhof GAP zur Brücke, direkt am Ufer vorbei. Aus den Gleisen wird 1896 die enge Zollhofstraße, die Eisenbahn fuhr jetzt über Bilk zur Brücke.

Der Rhein war hier sehr breit. Um die Wasserkraft der Prallhangkurve zu brechen, hatte man hier schon 1864  ("Rheinregulierung") zwei lange Buhnen angelegt, die zu einer Art Mauer im Fluss führten: dem "Parallelwerk". Dieses Parallelwerk wird man 1896 mit dem Hammer "Flügeldeich" verbinden, genau sind es zwei Flügel vom Deichtor Fährstraße aus gesehen. Es wird dann die Rheingrenze des Hafens von 1896.

Der Zollhof stand am Eingang des Hafens. Den Eingang hatte man hier gewählt, weil ein alter Eingang bestand: der Rheinarm der Carl Theodor Insel. Etwas weiter südlich stand am Rheinarm die wichtige Treidelstation "Schneidtmühl".

Die Brückenstraße ist heute eine Sackgasse. Ihre Hinterhöfe wurden die aufgeputzten Vorgärten der Stromstraße. Perverser weise hat man die Brückenhäuser zu Stromhäusern gemacht, die alten Eingänge Brückenstraße wurden zugemauert. Noch heute gibt es drei Häuser ohne Eingangstür.

Die Lippestraße hatte ein Eisenbahngleis zur Kammgarn-Spinnerei Bockmöhl. In den Ruinen der Fabrik erfreute uns 1985 der "Circus der Sieben Sinne": Nase, Mund, Ohr und noch andere Sinne wurden traktiert. Am schönsten der Tastsinn: unsere Arme und Hände in dunkle Höhlen und wir wussten nicht, was wir berührten: kalte Frösche oder zarte Frauenbrüste.

Das "China Royal" in der Brückenstraße heißt jetzt "Kirti´s", ein hoch gelobter Inder. Von den vielen Namen am Ende der Brückenstraße: Frickhöfer, Savini, Sampi, Miles smiles, Strom hat nur SATTGRÜN überlebt. Im Komplex, Gehry gegenüber "Curry": Robert Hüllsmanns Schnapsidee, nur Pommes, allerdings mit 20 "dressings", anzubieten. "Chidonkey": ein mexikanischer Imbiss. "Zollhof": der geschichtsträchtige Name steht auch für das beste Essen an dieser Ecke. Sagenhafter Kaffee nach wie vor und der wunderschöne Wintergarten.

Im Gehry links, ein Ziegelbau, der den alten Zollhof nachahmt: immer noch die "Meerbar", im weißen Gehry rechts, der eine Verbeugung vor Pfaus Schauspielhaus macht: jetzt "La Rocca".
Die Architekten simulierten Schiffe mit ihren Bauten: Parade´s "WDR Haus" (schon 1991), mit dem Bug gegen den Strom, wie es sich gehört, Dörings" Kaicenter" mit dem Heck gegen den Strom, dafür sieht der gläserne Bug prächtig aus. Im grünen Haus zwischen Kai- und Zollhofstraße residierte "Patrick", der Heilige von der grünen Insel, damals die Krone der Fischgastronomie. Heute: wieder Fisch, statt französisch, jetzt italienisch: "Da Cla", "Bei Clara".

Beim Straßenknick der Hammerstr fängt die Hammer Gemarkung an, der Name, der Düsseldorf berühmt machte: "Robert" (ausgesprochen <robäär>). Der Nachfolger Klaus Meister nennt das jetzt "Hafenmeisterei". Den maschinengedruckten kleinen Speisezettel suchen wir vergebens. Aber die meisten alten Köstlichkeiten sind erhalten.

B. Eigelstein

Nicht, weil hier die Leute das falsche Bier trinken (man hat mich hier wegen der Bemerkung fast verprügelt), sondern, weil hier die Verbrecherbude "Schneidmühl" stand. Sie war groß und ging, langgestreckt mit ihren Gärten von der Neckarstraße über den Eigelstein bis zur Spitze der Speditionsstraße. Die Carl Theodor Insel hatte hier die entscheidende Treidelstation hervorgebracht.

Im Norden Düsseldorfs ging man von rechts nach links, etwa bei der "Annebel" (Golzheim), im Süden ging man von links nach rechts bei der Schneidtmühl. Immer von Gleithang zu Gleithang, denn nur hier, bei geringer Strömung, war Treideln möglich. Die Station wird zur Sägemühle, gehört bald den Jesuiten und geht mit ihnen Ende 18.Jht. zugrunde.

Rechts sehen wir die Titanic, wie sie untergeht, ein Bau des Claude Vasconi (Grand Bateau), der schon die Hallen von Paris mit seinem "Forum des Halles" zugrunde gerichtet hatte. Wir kommen vom Erftplatz mit dem neuen Op de Eck "Hans im Glück". In der Ferne noch "La Donna Canone": ein Urtier.  Neben dem Eigelstein, in der verlorenen Kranstr: "Mongo", "auf Steinen gebraten", die Glashalle ist die Fortsetzung der Pink Petzinka nach ihrem Coup "Stadttor" 1998. "Böser Chinese", wo "Bug" war.  "Riva", vorher "Gatz" und "Room".

Der Ueckerplatz kann tolle Geschichten von einem Kunstwerk erzählen, am besten die mit den lockeren Kieselsteinen. Führte leider zu kaputten Schuhen bei der Damenwelt. Wurde daher von der Stadtverwaltung platt asphaltiert und musste aber nach heftigen Protesten des Künstlers wieder in den Urzustand zurück versetzt werden.

Die Schneidtmühl markiert die Stelle, wo 2005 die "Living Bridge" Zoll- und Handelshafen trennte. Man träumte von einem "Ponte Vecchio Florenz", einer lebenden, mit Häusern besetzten, Brücke. Ein Haus steht da: "Lido" für Verliebte. Am Rand: "Berens am Kai" hatte in der "Annebell"(an der Bell) einen Stern erkocht. Jetzt will er was anderes machen. Der windige Ingenhofen macht dauernd was anderes. Er will die Brücke bis zur Weizenmühle verlängern: "Pier One".

Die Speditionsstraße hat endlich ihre zwei "Königskinder". 1993 hatte Holger Rübsamen einen Wettbewerb gewonnen. Er betonte mit einer Häuserwand auf der Westseite der Halbinsel: bis hierher und nicht weiter. Petzinka plante Einzelbauten mit begehrlichem Blick zur Kesselstraße: es wird weitergehen. Wegen der Emissionsgesetze war hier Wohnen verboten. Das Hotel Marriott mit Restaurant "Julian" hatte sich eingeschlichen.

Hyatt kam viel später und nahm sich das Filet Stück: die Inselspitze. Das hatte auch der Kunstmakler Helge Achenbach gesehen und 2003 hier "Monkey Island" gegründet. "Doxx" im silbernen Alien Look erinnert ein bisschen wehmütig an silberne einmalige Zeiten. Im "Vieuw" <vijö> in der 16. Etage hat man die schönste Sicht über den Hafen.

Der Haupteingang zum Hafen hat Kino, Türme und Architektur, ist aber etwas monoton, essen kann man hier kaum. Hier lag das Hafenamt und die Siemens Zentrale (1896 erster deutscher elektrisch bedienter Hafen) Die Fachwerk-Fassade ist noch da.
Der Riesenplatz ist nun mit den fließenden Glashäusern (Float) von Renzo Piano zugebaut.

Wo wollen wir enden?

Im italienischen "Bocconcino" lässt sich schön träumen von den Jazzfesten hier zwischen den Aquarien im damaligen Maassen Haus.Im UCI "Bogarts" vielleicht? Ich wollte immer Humphry Bogart sein, kaufte mir einen Trenchcoat, steckte mir Zigaretten schief in den Mund, setzte den Hut auf und wartete auf Ingrid Bergmann "Schau mir in die Augen Kleines".

Oder lieber ganz weit weg, am Golfplatz: "Ratatouille" am Ende der Welt. Das habe ich, der Nicht Koch, mal gekocht, mit einer Französisch Klasse im Helene Lange Gymnasium. Weil es so unglaublich französisch klingt.

Und den weißen Bällen schauen wir zu, wie sie in den blauen Himmel fliegen.


Autor: Dieter Jaeger | Redaktion: Bruno Reble | © 2022 www.geschichtswerkstatt-duesseldorf.de


Dienstag, 4. Januar 2022

Arkadien in Düsseldorf

 Gibt es das? Ja, so meinen 6 Künstlerinnen und 4 Künstler und bereichern unseren „locus amoenus“, unseren "lieblichen Ort" Nummer eins, mit der Ausstellung "ARCADIA". Eine Göttin, schaumgeboren wie die berühmte Venus bei Botticelli (oder unsere hier am Teich), wird nackt getragen in einer Badewanne, statt einer Muschel. Dann taucht sie in die Düssel, um Bilder vom "Kussmund" zu fangen, die im Wasser vergehen, wie der Schaum. Nackte Frauenleiber bilden eine Blume oder ein Tiefsee-Ungeheuer, Venusmuscheln auf dem Torso der einstigen Venusfigur sind kleine Wasserfälle, der erotisch vorbelastete Haselnussbaum hält die Nymphe gefangen, fehlt nur noch der Schäfer.

Denn zu Arkadien gehört immer ein Bach, ein Garten, eine Wiese, ein Baum… und ein Schäfer. Auch die Erotik mit dem "Schäferstündchen" gehört immer dazu. Arkadien war das ferne Hirtenland inmitten des Peloponnes, eine Art Paradies. Dieses Wort für Garten haben die Perser geprägt.

Wo findet man das Paradies?

Beginnen wir die Suche in unserem schönsten, dem Malkastenpark.

Wenn man um 1700 von Norden auf der damals einzigen Duisburg-Kölner Straße nach Düsseldorf reiste, sah man über der Furt in Pempelfort das gewaltige, fast 100m lange, nach Norden verzierte Gebäude des Marstalls von Jan Wellem. Der Fürst bewahrte hier sein Jagdzeug.

Etwas weiter wohnte sein Jagdaufseher. Später heißt dessen Haus Schloss Jägerhof. Der Haupthof Pempelhof trug früher den Namen Tempelhof. Nach der Vernichtung des Templerordens 1312 wurde er umbenannt (vermutlich von Hermann Lohausen). Der Marstall wies den Weg zum völlig versteckten, 3km entfernten, Düsseldorf.

Auch die Düssel, die hier widersinniger weise rheinaufwärts floss, wurde durch den Berg "Flinger Geisten" zurechtgewiesen und strebte nun westwärts dem Rhein zu.

Durch diesen merkwürdigen Düssellauf gab es später gleich hinter der Stadtmauer im Osten ideale Gartenanlagen. Das höhere Bürgertum nutzte sie als Sommerresidenzen, als "Lustörter". Aber auch die Vorindustrie nutzte hier das Düsselwasser und die Nähe zur Stadt. So saßen anfangs Industrie und Luststätten noch einträchtig beisammen.

Drei wichtige Namen der industriellen Frühgeschichte Düsseldorfs sind mit dem Gelände am Flinger Geistenberg verbunden: Kirschbaum, Jacobi, Brügelmann.

  1. 1710 kommt der Solinger Protestant Heinrich Kirschbaum in die Residenz Jan Wellems. 1740 gründet er in Pempelfort am Flinger Berg eine Tuchfabrik mit Garten und Orangerie. Der Abenteurer, Bankier, Kaufmann, Bergwerg-Besitzer und "erste Großindustrielle" heiratet die Stieftochter des protestantischen Hoflieferanten Kommerzienrat Georg Christian Fahlmer. 1753 installiert er die allererste Dampfmaschine von Jan Wasseige im Bleiwerk Lintorf. Doch von allem macht er allzuviel. Es folgt Bankrott und herber Sturz vom Rittersitz "Düsselstein" an der Wallstraße ins Gefängnis am "Berger Tor". Er verschwindet spurlos.
  2. Der Göttinger Pfarrerssohn Johann Konrad Jacobi heiratet ebenfalls in die Fahlmer Familie, aber diesmal die Erbin Marie Fahlmer und übernimmt 1765 sehr schnell die Kirschbaum Anfänge in Pempelfort mit einer Zuckerraffinerie. Die Anlage, wie wir sie heute noch in Grundzügen haben, ist sein Werk.
  3. Johann Gottfried Brügelmann, ebenfalls Protestant, gründet bei Ratingen die "erste Fabrik auf dem Kontinent" und nennt sie CROMFORT. 1790 kauft er das Jacobi Anwesen und startet hier eine Türkisch-Rot Färberei.

Von den dreien hat Jacobi dieses Terrain am meisten geprägt. Sein Sohn Friedrich Heinrich, der Philosoph, machte Pempelfort ab 1779 zu einem "kleinen Weimar". Europäische Geistesgrößen waren hier zu Gast (Humboldt, Herder, Diderot, d‘Alembert, Forster, Iffland). Goethe trug in einem goldenen Schmuckdöschen Jacobis Zucker bei sich.

In den Wirren der Franzosenzeit kommen neue Besitzer in den Jacobi Garten. Am Düsselweg (heute Dumontstraße) sitzen der Bleiweißhersteller Deus (ein Pionier mit der ersten Düsseldorfer Dampfmaschine 1836), weiterhin eine Textilfabrik auf der "Düsselburg" und der Direktor der Gaswerke Julius Brewer.

Als dieser 1855 mit Mutungen den gesamten Jacobibesitz angreift, zieht OB Hammers die Notbremse. Dank einer großen Bilderlotterie (Rettet den Jacobigarten) kaufen die Maler Haus und Garten für ihren 1848 gegründeten Verein "Malkasten" und für die Erhaltung der Jacobi Geschichte.

Die Maler, berühmt für ihre Feste und Ausflüge, setzen diese Tradition im Malkasten fort. Am bekanntesten wird das Kaiserfest 1877. Wilhelm I und Gemahlin Auguste bestaunen das Geschehen am Venusteich: Nymphen, Najaden, Nixen und genau wie heute: Arkadien.

Die Venus unter Beschuss

Hanns Heinz Ewers hat es mit der Venus: "Mit Armbrust, Blasrohr, Schleuder schossen wir auf der Liebe Göttin und mit besonderer Begeisterung auf ihr artiges Hinterteil" (1925)
und Johann Georg Jacobi besingt die Düssel:

Bei der stillen Mondeshelle
treiben wir mit frohem Sinn
auf dem Bächlein ohne Welle
hin und her  und her  und hin.

Treues Lieben und Gefallen
sei mit reiner Lust gepaart,
und, wie dieses Schiffleins Wallen,
ruhig einst  die letzte Fahrt.
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Autor: Dieter Jaeger | Redaktion: Bruno Reble | © www.geschichtswerkstatt-duesseldorf.de