Mit dem Kult-Lokal CONFETTI fing alles an, der Hype, die Verrücktheiten, Schicki micki, Oberkassel.
Wir wollten unsere Besucher beeindrucken. Altstadt war out, erst "Confetti", dann "Nussbaum", dann vielleicht das Kino im Keller: die riesigen Filmrollen hinter uns gewechselt, das Glas Wein in der Hand, die enge Wendeltreppe hinunter, und dann weiter mit Robert Mitchum "Out of the past".
Confetti war der Haupt Ort und der Anfang war immer hier gewesen
Die allererste Fähre nach Neuss, die einzige Straße, das Fort Düsselburg, die Gierponte, die Schiffsbrücke, Goethe, Queen Victoria, Robert Schumann, die Eisenbahn, der Rummelplatz, das Verbrechen, die Kirmes, die Jugendherberge, Vossen links und das Heiligenhäuschen, der erste Düsseldorfer Tennisplatz.
Zuviel, ja eigentlich zu viel, nehmen wir etwas davon, der Reihe nach.
Die "Lollo", meine Jugend Lust, hab ich noch gar nicht erwähnt. Ich sagte zum Besitzer: "Schreib doch Namen an die Stühle, wie in Paris:"Train bleu" oder "Hier saß Lollobridgida".
Alle waren sie hier, als gäbe es einen Magnet. Aber es gibt keinen Magnet, es ist eine Hausecke, mehr nicht, wie ein blödes Autobahnkreuz.
Genau hier, wo ich jetzt "AOP CARLO" esse, 100 m weiter zum Rhein hin, war der Anfang der "Düsseldorfer Straße": der einzige bedeutende Weg weit und breit seit Römerzeiten.
8. März 1263:die erste Fähre Düsseldorf- Neuss, von der Grafschaft Berg gestiftet, wahrscheinlich nur ein kleines Boot, ein Nachen, der hier landet.
Wir waren noch nicht einmal eine Stadt. Das Ufer gehörte zu Köln. Die protestieren sofort: "Also Geld für die Überfahrt gebe es von dieser Seite nicht, höchstens einen Kuchen, wenn man zur Fassnacht rüber wollte, wir haben einen eigenen Nachen."
Die "Angere Sitt":fremdes Land, Feindesland, das geht so bis 1909.
Jan Wellem pfeift auf Köln und Feindesland, 1690 baut er genau hier auf der Kirmeswiese (bis ca. Salierstr) sein "Fort Düsselburg", weil ihm die Franzosen zu nahe auf den Leib rücken.
Das war natürlich eher ein trojanisches Pferd, von dem aus gefahrlos auf Düsseldorf geschossen werden konnte, z.B. 1758 oder 1795, also weg damit.
Nachhaltiger war Jan Wellems "Fliegende Brücke" von 1699, wieder genau hier. Die sogenannte "Gierponte" gierte (d.h. sie" halbkreiste"), sie "flog" von Ufer zu Ufer, getrieben durch den Strom, festverankert in der Mitte des Rheins (ca. Höhe Mannesmannhaus).
Die sechsspännige Fahrpost der Maurenbrechers vom Düsseldorfer Brücken Ufer an der Zollstr war schon fast zu viel für das kleine Fahrzeug. Die Strecke: Düsseldorf- Aachen(3 mal die Woche), am "Vossen links" eine Weggebühr, am Abend war man am Ziel.
1795 wurde genau hier zusätzlich eine Franzosenponte gebaut (Vorgänger der Kniebrücke), die bis zur Haroldstraße ging (die Gierponte war ihnen zu langsam).
Und 1815, als es den Kosacken zu langsam ging bei der Verfolgung des geschlagenen Kaisers, wurde bei Golzheim eine Brücke gebaut aus Fuder- und Braufässern Düsseldorfer Weinhändler. Die Kosacken hatten die Beresina überquert, da war dies hier ein Kinderspiel.
1699-1739 die große Zeit der "Gierponte"
Ober- und Niederkassel lagen hinter dem Deich an der Oberkasseler- und Niederkasseler Straße, 400 m von hier entfernt, eine Wiese bis zum Rhein. Zwei berühmte Höfe hinter dem Deich: "Vossen links" und "Fausten rechts". 1768 hatte der fünfzigjährige lebenslustige Johann Vossen die Erbin des Schürmannshofs geheiratet: die 16 jährige Marie. Eine große Kinderschar war die Folge (mein Großvater Jaeger hat das übrigens 1890 genauso gemacht).
Vossen links war der Urtyp der vielen Gastwirtschaften an dieser Ecke. Das Wegegeld sorgte für eine der ersten Chausseen im Düsseldorfer Raum. Die Berühmtheiten, die hier abstiegen, sind Legion, nur 2 davon: 1774 Johann Wolfgang von Goethe und am 1. Nov 1811:Marie Luise, Kaiserin von Frankreich. Ihr Vater war der letzte Herrscher des "Heiligen römischen Reiches Deutscher Nation".
Die Liste der Berühmtheiten, die hier auf dem Rhein vorbeifuhren, ist noch länger: Römische Kaiser zB Drusus oder 1730 der Gefangene seines wütenden Vaters: Friedrich II. später der "Alte Fritz" genannt.
Die Eisenbahn verändert vieles
1838 geht es am GAP los. 1839 baut man eine "Schiffsbrücke" (zusammengebundene Pontons) an Stelle der Gierponte. Man ging dann vom Bahnhof Graf Adolf bis Zollstraße zu Fuß, dann mit Maurenbrecher über die Brücke in die weite Welt. Ein paar Jahre später verlängert die Bergisch Märkische Bahn über Harold- bis Schulstraße.
Als die "Aachener Bahn" 1853 linksrheinisch die Eisenbahn bis Drakeplatz) verlängert (noch heute ein runder Anger auf der Oberkasseler Straße) und ein Jahr später bis "Rheinstation", geht der große Rummel los mit fünf großen und vielen kleinen Gaststätten neben dem Bahnhof. Robert Schumann hat sie nicht mehr erlebt. Er stürzte 1853 von der Brücke in den Tod.
Verglichen mit "Vossen links" waren das allerdings nur bessere Pommes Buden. Die Gesetze nahm man nicht so genau. Man konnte hier einen draufmachen, denn die Heerdt Polizei war weit weg.
1870 kam mit der Hammbrücke der erste Todesstoß: Man fuhr vom GAP über Haroldstraße, später Bilk, direkt nach Neuss und weiter nach Paris oder London. Die alte Strecke „Rhein Station Neuss“ war zu umständlich, eigentlich nur noch, wenn man zum Rummel nach Heerdt wollte.
Der "Schwarze Carl" war der Anfang
Er hatte aus dem französischen Zollhaus am Ufer eine Wirtschaft gemacht. Seinen Anbau nannte er "Walhalla". Dann folgte 1839 die Schiffsbrücke "Vater Rhein", daneben "Richarts" und "Wilhelmshöhe" und noch viele andere. Es gab Circus mit Elefanten, Theater mit Millowitsch und Ballonfliegen auf der Wiese von Gasthof Ecken (heute Wildenbruchstr). 1892 stieg „Miss Polly“ auf und landete in einem Baum bei Mettmann.
Berüchtigt war das verbotene "Tanzen nach Klavier". Wenn die Polizei kam, machte man auf "Konzert". Ferdinand Lassalle galt bei der Obrigkeit als Aufrührer und war nicht gern gesehene. Nur in Oberkassel konnte er mühelos auftreten.
Das Ende kam mit der Oberkasseler Brücke
Nun war Schluss mit der großen Lust am Rhein. Der neue zum Rhein vorgezogene Deich war notwendig, um die Breite von 250m zu erreichen, die eine feste Brücke erlaubten. Von Düsseldorf aus kam man mit fast 40 m entgegen.
Wegen der Einengung wurde die Oberkasseler Wiese mit allen Wundern der Rheinstation 3m abgegraben. Aus ! Die "Wacht am Rhein", eine der letzten, wurde 1898 abgerissen, als Trost baute man hinter dem neuen Wall die "Rheinlust", und daraus wurde die Jugendherberge. Der neue Bahnhof kam an den Belsenplatz. Er wurde zum Güterbahnhof für die vielen Industrien der Hansaallee.
in den 80 90iger Jahren zur Hoch Zeit von Oberkassel übertrieb man. Wenn man dahin ging, war es, wie mit dem Sonntagsbraten bei uns zu Haus, im so genannten Esszimmer, das neben dem gewöhnlichen Wohnzimmer nur zu besonderen Anlässen geöffnet war. Wir zogen uns extra an, wenn wir nach Oberkassel gingen, wir setzten eine lässige Miene auf und sagten „tutto a posto Signore, come va?“ Wir konnten „conchiglioni“ von „farfellini“ unterscheiden.
Confetti war der Höhepunkt
In einer ähnlichen Confetti Kneipe ging ich1990 aufs Klo, beschwingt mit Mozartmusik, parfümiert mit Rocco Barocco, rollende frische Klobrillen vor mir. Es war ein Boudoir aus edlem Holz. Eingeseift suchte ich das Wasser, aber ich fand es nicht. Ich wusch mich mit feinstem Papier.
Oh Oberkassel, sang ich mit Mozart, ok Oberkassel, ich liebe Dich.
Autor: Dieter Jäger | Redaktion: Bruno Reble | © www.geschichtswerkstatt-duesseldorf.de