Sonntag, 28. Mai 2023

300 Jahre Nicolas de Pigage

"Ken, Ken", stammelte sie, "ich liebe Dich, ich liebe Dich"  "Mit einem tiefen Seufzer schlang Rosalie die Arme um den Hals des Jungen" (Thomas Mann).

Während hinter den Tapetentüren im Benrather Schloss dramatische Szenen ablaufen, surften wir Kinder 1948 in großen Pantoffeln über das glatte Parkett. Die Pantoffeln waren für uns Schloss Benrath. Später waren es Referendarprüfungen in den Seitenflügeln. Schweißnass danach in die kühle Frühlingsluft am kalten See und die Grippe war fällig.

Die Itter

Im "Schweißgraben" oder "Kappuziner-Kanal" vor dem Schloss schwitzten früher Hunderte beim Frondienst des Kurfürsten, um aus der einfachen Itter einen vernünftigen kerzengeraden Wasserzufluss für die Schlossgräben zu bauen. Dass dabei die Bauernorte Langer Weiher (= Holthausen, Itter und Himmelgeist) ohne Itter-Wasser auskommen mussten, störte die hohen Herren nicht weiter. Die Itter, von Hilden kommend, bei der Capitostraße nach Norden zum Hoxbach und nach Westen zur Cäcilienkirche abweichend, im Süden nochmals nach Himmelgeist oder Urdenbach gabelnd, mündete fortan nur noch in Urdenbach. Der große Platz in Holthausen und die Kurve in Itter erinnern ein wenig an den Urzustand.

Die erste Elisabeth

Der Fluss in Benrath hatte schon Philipp Wilhelm, den "Schwiegervater Europas" gereizt. Sein Baumeister Johann Lollio baut 1662 das erste Benrather Schloss, von dem noch die Orangerie erhalten ist. Der kleine Jan Wellem spielte an der Itter. Seiner Mutter, der mit 17 Kindern geplagten Elisabeth Amalie hatte Philipp das Schloss als Morgengabe nach der Hochzeitsnacht gewidmet.

Die zweite Elisabeth

Die zweite Elisabeth Auguste ist neben ihrem Gemahl Carl Theodor, dem weltgewandtesten aller Kurfürsten, im heutigen Schloss "CT und EA" überall präsent. Die Ehe lief nicht gut, da half auch kein Schloss. Elisabeth, hierin ähnlich der Rosalie von Thomas Mann, jagte neben Hirschen auch hübsche junge Männer. Über den Türen immer wieder erotische Puttenspielerei. Das Haus heißt schließlich "Maison de Plaisance" ("Lusthaus"). Das Wort Lust ist allerdings damals inflationär, hatte wohl eine andere Bedeutung.

Pigage (1723-1796)

Nicolas de Pigage (der Adelstitel kam später) wurde am 3. August 1723 im lothringischen Lunéville geboren. Die Stadt, in der er geboren wurde, wird später mit dem weltberühmten Frieden von Lunéville in die Geschichte eingehen. 1801 ist das Ende des alten Regimes (ancien régime), der Anfang des modernen Düsseldorf. Die fallende Stadtmauer macht Platz für die rasante Zukunft der Stadt.

Pigage hatte in Paris studiert unter Blondel, dem großen Autor von Architektur Büchern. Das Hauptwerk von Nicolas de Pigage das Benrather Schloss im Süden von Düsseldorf (erbaut 1755-73) zählt heute zu den schönsten Schlössern in Europa.

Das Schloss

"Das bescheidene "Häuschen am Weiher ist der bezückendste Betrug, den man sich denken kann“ (R.Klaphek)

  • Es sieht einstöckig aus, hat aber, wenn man alles dazu nimmt, 6 Stockwerke, 80 Zimmer, 2 Lichthöfe und 7 Treppenhäuser.
  • "Atemberaubend, wie die winzigen Nebengelasse -Bade- und Toilettenräume- die Schlafzimmer umspielen" (W.Handmann)
  • Der Bau ist durch Tunnel miteinander verbunden. In einem "Schallraum", in der Kuppel, spielten Musiker unsichtbar für das Publikum im großen Saal. Erstaunlich modern: die Ziergewässer dienten bei Hochwasser als Rückstau und im Park wurde durch einen Düker das Wasser unterirdisch zurückgeleitet.

Der Hofgarten

Nicolas de Pigage baut 1769 auch den ersten "Hofgarten", gleichzeitig auch Deutschlands ersten Garten dieser Art.

"Da, wo vor einiger Zeit Sandhügel, verfallende Gemäuer, öde Steppe den Wanderer zurückschreckte, entzückt jetzt  ein mit Geist und Geschmack angelegter Lust Hain das Auge“ (Kluge).

Strenger französischer Stil mit „patte dóie“ und gerader Allee in der Mitte, begleitet von englischen wilden Bosquets, zum Schluss ein runder Weiher, der später den Meeresgott Triton bekommt, dem ein Flusspferd das Essen wegschnappt (Jröne Jong). Der Park hatte viele barocke Figuren mit Geschichten aus der griechischen Mythologie.

Eine der barocken Figuren war Omphale, Königin von Lydien. Nicht weit weg von ihr stand Hercules, der stärkste Supermann seiner Zeit, hier allerdings erniedrigt, er strickt Gewänder für Omphale. Pigage kannte die Eheprobleme des Kurfürstenpaars. Sie war 21, er 17 Jahre alt, "Herrlein" von ihr genannt. Omphale erniedrigt Hercules, wie Elisabeth ihren Theodor.

Die Promenade

Für die Düsseldorfer wurde dieser Garten schnell zur "Pempelforter Promenade", besser noch zur "Champs Elysees" von Düsseldorf.

Die Gemäldegalerie

Die höhere Gesellschaft der Stadt liebte auch die jetzt offene Gemäldegalerie des Jan Wellem. Der Kurfürst hatte ca 1000 Kunstwerke gesammelt und dafür schließlich ein eigenes Haus gebaut. Die Galerie ist der Anfang der "Kunststadt Düsseldorf". Alle Welt besuchte die Stadt nur wegen der Galerie. Der erste Galeriedirektor Gerhard Joseph Karsch verfasste einen Katalog: "Der schlafende Cupido, wie ihm die Psyche die Gurgel abschneidet" oder "Silenius, wie er von Bacchanten ganz besoffen geführet wird". Pigage macht daraus einen eleganten Führer "La Galerie Électorale", natürlich in französischer Sprache.

Das gebrochene Herz

Auf der Pempelforter Promenade des großen Nicolas de Pigage promenierte auch Heinrich Heine:

"In frühen Tagen hatte der junge Mensch mit ganz anderen Gedanken an ebendieselben Bäume hinaufgesehen. Damals war des Knaben Herz ebenso vergnügt, wie die flatternden Tierchen, wenn sie lustig dahinsummten und sich der hübschen Welt erfreuten. Jetzt aber war sein Herz älter geworden, die kleinen Sonnenstrahlen waren darin erloschen, alle Blumen waren darin abgestorben, sogar der schöne Traum der Liebe war darin verblichen, im armen Herzen war nichts als Mut und Gram und damit ich das Schmerzlichste sage - es war mein Herz".


Autor: Dieter Jaeger / Redaktion: Bruno Reble / © Geschichtswerkstatt Düsseldorf 2023
s. auch de.wikipedia.org/wiki/Nicolas_de_Pigage