Mittwoch, 22. Juli 2015

Die KIRMES - eine Räubergeschichte

Jedes Jahr im Juli, genauer um den 23ten herum, feiert Düsseldorf „Die größte Kirmes am Rhein“. Eigentlich müsste sie „Apollinaris-Kirmes“ heißen. Nicht weil ein Mineralwasser als Hauptsponsor auftritt, sondern wegen dem Heiligen Apollinaris, Stadtpatron von Düsseldorf, dessen Namenstag am 23.Juli mit einer Kirchmesse gefeiert wird.
Wer war Apollinaris?
Ein schöner apollogleicher Mann griechischer Herkunft, Jünger des Petrus, wird als Bischof von Ravenna im 2.Jht. einer der ersten christlichen Märtyrer. 1164 werden seine Reliquien an den Rhein gebracht, von Reinald von Dassel, Erzbischof von Köln, als Siegesbeute von einem Italienfeldzug, zusammen mit den Reliquien der Heiligen drei Könige aus Mailand. Bei Remagen weigert sich das Schiff, weiterzufahren, bis die Gebeine des Apollinaris den Benediktinermönchen der Stadt Remagen überlassen werden.
Geld regiert die Welt
Wilhelm II, 1380 aufgestiegen zum Herzog von Jülich-Berg, will Düsseldorf zu seiner Residenzstadt ausbauen und braucht Geld. Und so werden bei einem Fehdefeldzug gegen die Siegburger die Apollinaris-Reliquien geraubt und nach Düsseldorf in die Lambertus Kirche verbracht. Mit etwas Vitamin „B“ und den nötigen Schmiermitteln gibt Papst Bonifaz IX seinen Segen.
Düsseldorf steigt auf in die erste Liga
Der Aufstieg ist geschafft. Neben Köln, Aachen, Trier etabliert sich Düsseldorf zur Premium-Pilgerstadt und nimmt teil an den sprudelnden Einnahmen durch heilsuchende Wallfahrer. Zu Stoßzeiten sind 20 Altäre gleichzeitig aufgebaut, an denen bußwillige Sünder sich erleichtern können, gegen bare Münze versteht sich. 1394 wird Apollinaris zum Stadtpatron ernannt und seitdem tragen die Sebastianus Schützen seine Überreste durch die Stadt. Mit einer Kirmes feiern sie den Heiligen. Die Herrschenden sehen das gern. Kurfürst Jan Wellem war zweimal Schützenkönig, Jakobe von Baden stiftete wertvolles Schützensilber. Wer dreimal Schützenkönig war, brauchte sein Leben lang keine Steuern mehr zu zahlen.
Königin des Tafelwassers
Was hat das Schützen-Amüsemang mit Mineralwasser zu tun? Nun, im Schrein der Düsseldorfer Lambertus­kirche fehlt der Kopf des Heiligen. Denn ein Jahr vor der Erbeutung der Reliquien durch Herzog Wilhelm hatte schon ein anderer Raubritter zugeschlagen und das Haupt des Apollinaris sichergestellt. Sein Name: Gerhard von Einenberg aus Burg Landskron bei Ahrweiler. Eine Apollinaris-Statue steht deshalb auch an einem Weinberg in Ahrweiler. 1852 entdeckt ein Winzer aus Bad Neuenahr das berühmte Mineralwasser und tauft es APOLILINARIS -THE QUEEN OF TABLE WATERS.
Die Moral von der Geschicht‘
Jedes Jahr im Juli  feiern wir einen Apoll von einem Mann, das berühmteste Mineralwasser der Welt, die größte Kirmes am Rhein, aber im Grunde feiern wir auch eine Räubergeschichte.

Autor: Dieter Jaeger      Redaktion: Bruno Reble      © geschichtswerkstatt-duesseldorf.de
 
 

Freitag, 20. Februar 2015

Eine Krone für die Kö: GALERIA KAUFHOF wird THE CROWN

Ende 2014 schlug die letzte Stunde für GALERIA KAUFHOF (ex HORTEN) an der Berliner Allee. Aktuell wird umgebaut für den Nachfolger "The Crown".

Das Gelände sollte einstmals eine Mischung werden aus Unterhaltung, Gastronomie und Shopping.1893 verschwand der Gleiskörper zwischen heutiger Bahn- und Graf-Adolf-Straße. Und so entstanden hier auf dem länglichen Grundstück die ersten Vergnügungs-Etablissements: die Graf-Adolf-Straße als attraktive "belle entrée" zur Königsallee.

Ganz schön lustig, was unsere Altvorderen um die Jahrhundertwende dort getrieben haben. Auf dem Grundstück der jetzigen GALERIA Kaufhof entstand gewissermaßen das erste Kino von Düsseldorf. Nun aber hübsch der Reihe nach:

Das Amüsierviertel von Düsseldorf


Auf dem frei gewordenen Eisenbahn-Gelände Ecke Oststraße errichtete der Mühlenbesitzer Stübben 1895 einen orientalischen Bazar mit "Kaffee-Restaurant". Im 1 Stock gab es ein "Arabisches Cafe" mit Minarett und Kuppelbauten zu bewundern. Orientalischer Kitsch war der letzte Schrei. Die Bazarstraße am Breidenbacher Hof war gerade eröffnet. Schwarze Sklaven bedienten unsere Omas im "Arabischen Cafe" bis 1911.

In der "Wunderhalle" im Erdgeschoss gab es "Lebende Bilder", ab 1904 ein "Panoptikum" mit Panoramen, Abnormitäten und Folterkammer; schließlich ab 1906 den "Kinematograph".
Das Haus war durchgehend geöffnet. Von 9-11 zeigten die Betreiber, meist Kirmes-Schausteller oder Frisöre, 10minütige Schauerfilme ("Kurzes Glück - lange Reue"). Ein richtiger Orchestergraben machte Musik.

Die Nitratfilme waren nicht ungefährlich. Es gab Explosionen. Nur eine Filmrolle durfte im engen Vorführraum sein. Von der Bahnstraße konnte man durchgehen bis zur Graf-Adolf-Straße. Bald war auch der lange Gang überfüllt.

1908 schlug die Stunde für den berühmten Architekten Hermann vom Endt. Das ist der, der das Apollo Theater gebaut hatte. Im Garten des Arabischen Cafés erschuf er das erste richtige Kino "Café Palais". Das Palasttheater gegenüber von der Oststraße gab den Namen. Ab 1928 hieß dieses erweiterte Kino dann "Europapalast".

Das "Europa" hat unsere Jugend begleitet, fast alle großen Ur-Aufführungen habe ich hier erlebt. Jeder Film bekam ein riesiges gemaltes Plakat und ein Programmheft. Dutzende von diesen melierten Heften besitze ich noch. 1954 eröffnete das STUDIO. Es hatte sogar eine Raucherloge. Der Film hieß "Vom Winde verweht".

Ab 1964 entstand mit der Berliner Allee zunächst "DeFaKa" an der Oststraße. Dann kam der Kaufhaus-König Helmut Horten mit den typischen „H-H-Kacheln“ von Egon Eiermann, schließlich GALERIA Kaufhof, dessen Türen sich am 20.12.2014 zum letzten Mal öffneten.

Und jetzt die Krönung „The Crown“


Anfang 2017 soll die Eröffnungs-Zeremonie steigen für ein Mega-Handelshaus mit viel Glas, Gastronomie und Kommunikation. Auf dem Dach die Krone des Ganzen: ein Luxus-Hotel mit dem edlen Namen „CARAT“.

Doch aufgepasst: „Eine Krone ist lediglich ein Hut, in den es hinein regnet!“ wusste schon der Alte Fritz.

Autor: Dieter Jaeger       Redaktion: Bruno Reble        © geschichtswerkstatt-duesseldorf.de

Montag, 12. Januar 2015

Klosterabriss für ein Hochhaus

Das marode Franziskanerkloster an der Immermannstraße /Ecke Oststraße wird abgerissen. Die vier letzten Mönche ziehen nebenan in die Marienkirche als neue Klosterkirche. Dort wird es dann die Armenspeisung geben und den Treffpunkt der „fifty-fifty“ Verkäufer.

Auf dem freiwerdenden Grundstück an der Klosterstraße entsteht ein Hochhauskomplex mit 170 Wohnungen, 4000 Quadratmeter Bürofläche sowie Raum für Einzelhandel und Gastronomie. Es soll auch zu 40 Prozent bezahlbarer Wohnraum entstehen. Dabei wird nun zum ersten Mal das neue „Handlungskonzept Wohnen“ in der Innenstadt umgesetzt. Wobei die günstigen Wohnungen zur belebten Straße hin geplant sind, die teureren im hinteren Bereich. Planungsdezernent Bonin erhofft sich dadurch eine Belebung des eher tristen Viertels.

Schon 1853 sieht es in dieser Gegend mehr als trist aus, als der Bettelorden der Franziskaner aus der Verbannung unter Napoleon nach Düsseldorf zurückkehrt. Die Oststraße ist die Ostgrenze der Stadt. Dahinter am Pfannenschoppen, der Straße der Ziegler, gibt es Fabriken, Baggerlöcher und Ziegeleien.

Hier in der "Dreckecke am Windschlag" bauen die Franziskaner ihr "Klösterke". Als 1890 der Hauptbahnhof errichtet wird, muss das Gelände erst trocken gelegt werden. Tonnenweise wird Gerresheimer Sand abgelagert, damit eine einigermaßen ebene Fläche entsteht. An die Pfannenschoppenstr, die jetzt Klosterstraße heißt, kommt 1840 der erste Gashersteller.

Es stinkt zum Himmel !


Denn Sinzig verbrennt Teere, Öle, Fette. Nur den Bettel-Mönchen und den Schülern zweiter Klasse kann diese Dreckschleuder zugemutet werden. Das erste Realgymnasium (später Humboldt und Scholl) öffnet an der Klosterstraße, während die Schüler des illustren Görres Gymnasium an der Kö residieren. Beim Kaiserbesuch sind nur die Görres-Schüler zugelassen, Fähnchen zu schwenken. Heinen, der Direktor des Realgymnasiums, ruft verzweifelt: "Auch in der Schmiede wohnen Götter!"… es hilft nichts.
Der Englischlehrer Zech benutzt auf seinem Weg zur Schule grundsätzlich die Mitte der Fahrbahn auf der Klosterstraße, um sich in dieser verpesteten Luft nicht auch noch dem Bettenlüften der Hausfrauen auszusetzen.
Im "Kulturkampf" unter Bismarck werden die Franziskaner abermals verbannt, tränenreiche Abschiedsfeier am Rheinufer. 1880 kommen sie zurück. Die Klosterkirche entsteht, 1950 nach der Zerstörung der einfache jetzige Bau.
Die Franziskaner waren die Lehrer von Heinrich Heine. Auf ihre Klosterschule an der Schulstraße gehen die ältesten Gymnasien zurück. 

Die Wurzeln des Altbiers


Und etwas sehr Leckeres geht auf sie zurück: das Altbier, z.B. Schumacher auf der Zitadellstraße. Im „Sonnenaufgang" braut er 1838 zum ersten Mal ein "leckeres Dröppke", so wie wir es heute lieben. Schumacher hatte es von den Mönchen gelernt, die nebenan ihre Klosterbrauerei hatten. Als die Mönche 1853 auf die Oststraße ziehen, folgt er seinen Lehrmeistern und besten Kunden und braut fortan in der Oststraße sein Alt.
Auch der Jesuit Jorge Mario Bergoglio liebt Franz von Assisi und übernimmt seinen Namen. Heute ist er Papst.

Autor: Dieter Jaeger          Redaktion: Bruno Reble     © geschichtswerkstatt-duesseldorf.de