Mittwoch, 21. Mai 2014

„Cornelius auf Augenhöhe“ von Dieter Jaeger


Wenn man raustritt aus der Tiefgarage der Schadow-Arkaden ist alles neu: die Blicke, Perspektiven, Häuser. Einen Moment lang könnte man auch im Centralpark Manhattan sein; der Hofgarten nicht wieder zu erkennen, der Wassergraben, die Elberfelder Brücke, die neue kleine Brücke.

Wie wär’s mit einem Experiment: Dritter Stock in der Trattoria "Poccino" auf einen Kaffee, eine neue Welt, als wäre man in einer anderen Stadt.

Allein das Parkhaus: unheimlich und bedrohlich, der Tunnel, die steilen Passagen, große Torschranken, die runterzufallen drohen, die Einsamkeit. Das ist die Unterwelt. Danach wird es großartig.
Im Köbogen, soeben als bestes europäisches Geschäftshaus ausgezeichnet, nehmen wir die Brücke zum Hofgarten. Frühling! Wunderbar! Diese Ecke war einmal unser erster Botanischer Garten. Das sieht man ihm immer noch an.

Cornelius ist wieder rundum begehbar

Die Nazis hatten sein Denkmal in den Wald gestellt, um Platz für ihre Aufmärsche vor dem Parkhotel zu schaffen. Und da verrottete er langsam, ganz zu schweigen vom Hundekot um ihn herum.

Cornelius war der Chef der "Düsseldorfer Malerschule", die zur Akademie aufgestiegen war und die mit ihm und seinem Nachfolger Schadow weltberühmt wurde.

Das Denkmal von 1879 gehört zu den ersten Denkmälern überhaupt. Mit Weyhe, Schadow und Immermann wurden in Düsseldorf Künstler geehrt und keine Militärs. Das ist gut und bemerkenswert.

Interessant ist die Abstufung: der gebürtige Düsseldorfer Cornelius bekommt ein übergroßes Denkmal, der Berliner Schadow eine Büste, der Jude Bendemann als dritter Chef nur eine Straße, die ihm später weggenommen wird (Fritz Röber- heute).

Cornelius im Mantel, um ihn größer zu machen, die Reißfeder in der Hand; links die „verhüllte“ Religion mit Bibel und Kreuz, rechts die "Poesie" als Nackedei mit Lyra (daraus wird Lyrik) und Pergament (Vorläufer des Papiers). Cornelius gehörte zum religiösen Lukasbund, besaß aber eine wunderschöne Ehefrau; ein Zeitzeuge: "Nie sah ich einen göttlicheren Oberleib!"

Das große Relief vorne zeigt die "Malerei", getragen von der griechischen Sphinx (Fabeltier aus Löwe und Frau und Symbol der Ewigkeit).

Die Rückseite zeigt über dem Wappen der Malergilde, links "Italia", rechts "Germania" (Cornelius zog es nach Rom, wie viele der Lukasjünger); in den Ecken oben: Dürer und Michelangelo.

Die kleinen Reliefs vorne: „Mutter Natur" als Frau mit Füllhorn, Symbol von Fruchtbarkeit und Überfluss (ursprünglich ein griechischer Weinkorb); rechts: der "Genius" als geflügelter Mann, der der Frau den Schleier nimmt.

Die kleinen Reliefs hinten: der Brunnen der "Inspiration"; rechts: der deutsche "Dr. Faust"; links: die schöne Griechin "Helena".

Den Künstlern war immer der Bezug zur griechischen Antike wichtig; deshalb auch überall die Akanthuspflanze (Mittelmeer) als Ornament und der immergrüne mediterrane Lorbeer als Siegerkranz.

1879 hatte man Sorge, das Denkmal in Marmor auszuführen (Zitat: „bei der Zerstörungslust der hiesigen niedrigen Bevölkerung"). 1892 wird dann das Kriegerdenkmal daneben in Marmor gestaltet. Allerdings wurde es durch einen Wärter mit Wärterhäuschen rund um die Uhr bewacht. In der Nähe standen Schilder: "Mitführen von Kinderwagen und Hunden untersagt".

Zum Weiterlesen: Wolfgang Franken, Ars Publica, 2013

Dienstag, 6. Mai 2014

"Der Köbogen – vornehm geht die Welt zugrunde" von Dieter Jaeger

Na klar, da muss man hin. Das Gebilde konnte vor kurzem nur im Kilometer-Abstand um­fahren werden. Die Stadt war zu.
Bei der Ausfahrt ging die Schranke nicht hoch. Ein Mann kam heran: "Das hier ist nur für VIP-Personen!“ Ich: "Aber das müssen Sie doch sagen.“
Im Liftbereich nahm ich den linken und saß fest. "Das ist nur für Sehr-Wichtige-Personen!"
Ich: "Aber das müssen Sie doch sagen".
In der "Sansibar" zwei Befrackte "Hier ist zu! Das ist für Wochen ausverkauft".
Ich sage nichts mehr.
Aber dennoch hat sich Bolle ganz köstlich amüsiert
Man sollte trotzdem hingehen. Es ist aufregend: Nord Tunnel, Tiefgarage, Lift. Wir landen mitten im Bogen, genauer: im zentralen Bogen des Bogens; erstmal einen Kaffee. Sechs wunderschöne Damen mit Mandelaugen und anmutigen Bögen lächeln mich an.
Ich gehe hinunter über die kleine neue Brücke zum Hofgarten. Der ganze Wasserbogen ist wieder da; die Elberfelder Brücke wieder sichtbar. Hier standen die Zollhäuschen. Nachts wurde die Stadt abgeschlossen.
Und genau hier stand auch der Triumphbogen, durch den Napoleon 1811 in die Stadt einritt. Hinter der Brücke ging es rechts in den "Botanischen Garten". Die Bäume stehen immer noch.
Man nannte die Straße nach dem wichtigen Ort Elberfeld. Links gleich zu Beginn: das Weinrestaurant Thürnagel, unerhört vornehm, mondäner Austernsalon, glutäugige Kokotten, „chambres séparées".
Daneben die ersten Erdbeeren in Watte verpackt; Artischocken, Ananas, ein Schlemmer­paradies; permanente Kunstausstellung bei "Bismeyer"; ein Luxuslokal neben dem anderen.
1879 kommt Cornelius mitten auf die Elberfelder Brücke. Erst die Nazis schubsen ihn in den Wald; „Platz da!“ für ihre Aufmarschplätze vor dem Parkhotel.
1865 war schon aus dem Kälbermarkt der Schadowplatz entstanden mit der Büste des Meisters. Die Elberfelder Straße verband Cornelius und Schadow, die beiden Großen, die Düsseldorf weltberühmt gemacht hatten.
Noch einmal zurück zu Breuninger
Der Schadowplatz ist wieder ein richtiger eingerahmter Platz mit dem Schadowdenkmal in der Mitte. Das Portal im Köbogen war damals die Logengasse, die zur Loge und zum Friedrichsbad führte, Düsseldorfs erste Sauna von 1835.
Aber mehr noch als die Elberfelder, imposanter noch als die beiden Plätze war die vornehmste Straße von Düsseldorf: die Hofgartenstraße. Sie ist ganz verschwunden. Machen wir die Augen zu und träumen ein wenig.
Carl von Pritzelwitz, Hofmarschall beim Prinzen Friedrich auf Schloss Jägerhof, besaß das erste bombastische Haus: 20 Zimmer, Bodenheizung, Stallungen.
Später bekommt es Trinkaus, erster Bänker der Stadt, Chef der Handelskammer, Besitzer von Schloss Elbroich und damit Initiator von Reisholz und Holthausen.
Dahinter saß Haniel, der mit dem geheimen Kommerzienrat Lueg ein ganzes Viertel Oberkassel aus dem nichts heraus gestampft hat. Dahinter Graf von Groeben, Adjutant des Preußen-Königs Friedrich Wilhelm, des Pferdeapfel-Königs, dem wir den Namen der Kö verdanken.
Hier schlug das Herz der modernen Großstadt. Man tanzte, spielte Theater, sang im Chor. Unglaublich schöne Damen trugen diese langen Roben, die Taille extrem geschnürt, der Busen unter weißer Flatterbluse. Sie wussten schon immer, wie sie uns die Sinne rauben. Die Herren hatten mörderische Stehkragen, immer Hut, Weste, Gamasche, immer schwarz und weiß.
Sehen und sterben
Ich sitze genau an der Stelle, die Schadow für seine letzte Bleibe ausgesucht hatte: " Den Hofgarten sehen und sterben",  und das tat er dann auch.
Hinter seinem Haus begann die "Pempelforter Promenade", bei den Touristen die "Champs Elysées" von Düsseldorf. Und wo das Elysium ist, geht es bekanntlich direkt hinauf in den Himmel.