Die Kö erhält eine neue Krone zwischen Steinstraße und Königsstraße. Als Macher wurde ein König der Architektur auserkoren: Santiago Calatrava. Den Namen muss man sich auf der Zunge zergehen lassen, auch die Kosten im Milliarden-Bereich. Nach Köbogen, Ingenhoven Tal und Le Coeur gilt der Calatrava Boulevard als das größte Projekt auf dem Düsseldorfer Pracht Boulevard.
Cafe KÖNIG hieß einstmals ein Café auf der Kö neben der Königsstraße: Marmor, Glas, Spiegel und schöne Frauen. Jeder wollte König sein im König. Die Jungs spielten mit der Rolex. Sie hatten noch kein Handy. Die Frauen spielten mit ihrer Schönheit.
Der Brauerei Leo König gehörte das Edel-Restaurant VICTORIAN, in dem 1984 Scherrer vom Hilton gleich im ersten Jahr einen Stern erkochte. Hier saßen sie im 1. Stock; Tisch 9 reserviert für Promis: „Für Gabi tun wir alles" mit Gegenüber Udo Lindenberg und Fritz Raddatz.
Der Krupp Bevollmächtigte Berthold Beitz kam jeden Tag zum Frühstück, Peter Ustinov zum Schlemmen. Die Politiker Wehner, Scheel, Rau, sie alle kamen – bis der Gerichtsvollzieher dem Spuk ein Ende setzte und einen Kuckuck an die Tür klebte.
Im Keller: die FEETWARMERS mit Klaus Doldinger; wir machten Jazz, denn Jazz war in, z.B. bei DA BRUNO auf der Graf Adolf-Straße. Die Beatles verachteten wir als englische Schlagermusik. Der Autor spielte Posaune bei den "OLDIES BOLDIES".
Als die Kö noch Kastanienallee hieß
Auch ein richtiger König war mal auf Besuch. Friedrich Wilhelm IV von Preußen soll hier im Revolutionsjahr 1848 mit Pferdeäpfeln beworfen worden sein, als er vom südlich gelegenen Bahnhof kommend mit der Kutsche zum Schloss Jägerhof fahren wollte. Später wollte man das Königshaus wieder gnädig stimmen und hat die Kastanienallee 1851 in Königsallee umbenannt; mehr bei koenigsallee-duesseldorf.de/die-koe/geschichte/
1854 kam die Königsstraße hinzu als "Querstraße" zum neu angelegten Königsplatz. Gleichzeitig plante man mit großer Sichtachse von der Kö die damals im Westen größte preußisch protestantische Kirche (88m).Der preußische Stararchitekt Carl Adolf Krüger baute 1866 gegenüber das immer noch bestehende neue Landgericht. Die "Ostländer" aus Berlin dominierten in Düsseldorf.
Für CALATRAVA müssen in der Königsstraße alle Häuser abgerissen werden, denn hier ist der Haupteingang. Der andere Eingang liegt am "Manufactum brot&butter" auf der Steinstraße.
CALATRAVA: ein Boulevard in der Luft
Das hatten wir noch nicht. Bäume, offener Himmel, "Haute Cuisine", also die "hohe Küche" ganz wörtlich genommen, wie einst im VICTORIAN. Genial ist die Idee, die Häuser an der Kö zu erhalten und das Gebäude in den unattraktiven Hinterhof zu verlegen.
An der Kö Nr.34 bis 54 entfallen zunächst die großen Namen, um später am Boulevard wieder zu kommen. Vergessen wir also vorrübergehend den Kommunikations-Jungstar Guido Boehler, die Kölner Görgens-Gruppe: die Modekette KULT – OLYMP & HADES, den Hamburger Leysiefer, den amerikanischen Kaffeeröster STARBUCKS, den schottischen Seifensieder DOUGLAS (seit 1821), den Clothing-Store CAMPUS, den italienischen Goldschmied POMMELATO und GUCCIO GUCCI aus Florenz (wer so heißt, kommt bestimmt wieder).
Es bleiben zunächst (ohne Zugang zum Boulevard) der schottische Schneider Burberry, der 1856 den Gabardine Stoff erfand (spanisch Mantel) und damit auch den Trenchcoat (trench = Schützengraben); ferner Prada (großer Name aus der Galeria Milano) und Prange-Juppen, der Schuhpalast aus Wuppertal.
Bleiben werden auch einige Fassaden aus der Kaiserzeit
Dem Denkmalschutz sei Dank! Der Block Kö Nr.34 bis 54 ist gewissermaßen das Herzstück der Allee, sozusagen der "Lustgarten". Die Familien Schumann, Bittner, Franzen, Paffrath, Hemesath und die Lichtburg: alle waren in diesem Block.
- In der heutigen Nr.52 oder 54 wohnten 1851 für kurze Zeit die Schumanns. Hier amüsierte sich Clara über ihren Kollegen Franz Liszt, der mit großem Tam Tam auftrat. Der bescheidene Robert war ihr lieber.
- 1867 zimmerte der Schreiner Johann Paffrath Transportkisten für die berühmte "Malerschule", sein Sohn zieht 1914 in die Kö 46: gebaut vom Meister Herrmann vom Endt.
- Seit 1911 verkauft in der Nr.42 Hermann Franzen seine berühmten Porzellanwaren.
- Am 29.12 2004 trauerte Düsseldorf um die Lichtburg (Nr.38 -40), eines der ältesten (seit 1910), bestimmt aber das berühmteste Kino der Stadt. Fast daneben (Nr.44) lag Otto Bittner, der 1990 an der Kö aufhörte.
- In der Kö 48 saß Carl Hemesath, der auch die Nr.66 besaß (Tanzpalast Tabaris).
Blutsteine, Galgen und arme Sünder
Der Mörder Peter Kürten ging 1929 hier zu seiner Frau, der Serviererin, die blutige Schere noch in der Westentasche. Er ahnte nicht, dass unter seinen Füßen so viele Leichen lagen. Genau an dieser Stelle legten die Düsseldorfer 1776 ihren ersten Friedhof an (extra muros). Carl Theodor hatte die Begräbnisse im Kirchhof verboten. Das Arme-Sünder-Kreuz am Eingang des Friedhofs von 1776 kam vom Wehrhahn, wo die Verurteilten seit 1716 dreimal um den Blutstein herumgeführt wurden und ihre Sünden bereuten, bevor es am Galgen zum finalen Ende kam (mehr darüber bei Wolfgang Funken, Düsseldorfs Galgenplätze, 2022).
Der Friedhof wird zum Lustgarten
Lust ist eine schöne Metapher, auch wenn sie damals eine andere Bedeutung hatte. Zum Thema „Lust und Tod“ noch eine alte Geschichte von Heinrich Heine über seine erste große Liebe zur Tochter des Scharfrichters, das Rote Sefchen.
"Ihr Haar war rot, ganz blutrot und hing in langen Locken bis über die Schulter hinab, so dass sie es unter dem Kinn binden konnte. Das gab ihr aber das Aussehen, als habe man ihr den Hals durchschnitten, und in roten Strömen flösse daraus hervor das Blut".
Aber Heinrich Heine wäre nicht der gefeierte und scharfsinnige Schriftsteller, wenn er an dieser Stelle nicht noch einen draufgesetzt hätte. Denn er küsste sie "nicht bloß aus zärtlicher Neigung, sondern auch aus Hohn gegen die alte Gesellschaft und alle ihre Vorurteile"… mehr bei projekt-gutenberg.org/jess/heinebio/chap001.html.
Autor: Dieter Jaeger / Redaktion: Bruno Reble / © Geschichtswerkstatt Düsseldorf 2023
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