Freitag, 20. Mai 2022

Geschütze, Panzer, Waffen – Rheinmetall !

Die Tauben sind zu Falken geworden. In einem Monat, wie schnell.

Ein in Düsseldorf ungern genannter Name war Rheinmetall. Am ehemaligen Hauptgebäude Ulmenstraße wurde der Name übertüncht: ein glitzernder Stahl- und Glasmix aus Büros, Hotels, Restaurants, inmitten der "Unternehmerstadt".

Noch am 11. Februar 2022 wird das Sponsering von Rheinmetall für den Handball Verein „Bergischer HC“ von den Grünen abgelehnt. Ein paar Tage später kommt der Krieg in der Ukraine. SPD Scholz reagiert noch zögerlich, aber die Grünen rufen energisch zu den Waffen. Eine „Zeitenwende“ kündigt sich an. Der Aktienkurs von Rheinmetall geht durch die Decke.

Kommt jetzt eine Wiedergeburt?

Der Firmengründer Heinrich Ehrhardt war zunächst Fabrikant von Eisenrohren. Düsseldorf war damals die Röhrenmetropole Europas. Alle bauten Röhren: Piedboeuf, Bahlke, Tellering und Hahn bauten schmiedeeiserne Röhren, Poensgen baute Bleiröhren, Haniel und Lueg bauten guss-eiserne Röhren, aber Ehrhardt war anders.

Er konzentriert sich auf nahtlose Röhren in Anlehnung an die Mannesmann Sensation, Röhren ohne Naht herzustellen. 1889 bringt er ein patentiertes Pressverfahren heraus. 128 Patente, hat man später gezählt. Er war ein genialer Erfinder, der in der Bastelstube des Thüringer Waldes ein Ding nach dem anderen hervor zauberte: Kaltsägen, Panzerplatten, Drehbänke, Pressen, Fahrräder, Elektrofahrzeuge, Gewehre, Zünder. LKWs und Autos (Wartburg).

Anders als die genialen Mannesmann Brüder, die vorzugsweise erfinden konnten, muss Ehrhardt auch das Kaufmännische gelernt haben, denn sein Unternehmen Rheinmetall besteht noch heute 2022.
Das Schrägwalzverfahren von Mannesmann war durch Beobachtungen bei der Feilenherstellung in der väterlichen Remscheider Fabrik entstanden: schräge Walzen zermürbten das Innere eines Blocks. Die spätere Ergänzung des Pilgerschritts (drei vor, zwei zurück) erlaubte lange Röhren. Der Name kam durch das Vor und Rückwärtsfahren der Stücke. Es erinnerte an die Prozessionen in Echternach zum heiligen Wilbrord, zuständig für Veitstänze, also Wahnsinn oder an den Hexensprung in der Villinger Fasnet.

Ehrhardts Pressverfahren bohrte und presste einen Dorn in das glühende Eisen. Das war einfacher. Dadurch wurde Ehrhardt zum "Kanonenkönig". Man arbeitete in Derendorf "Bei der Patrone", weil Ehrhardt sich 1901 auch eine Gewehrfabrik eingegliedert hatte, wo das Zündnadelgewehr hergestellt wurde (1840 von Dreyse erfunden) Hinzu kommt 1895 der Unternehmer Konrad Haußner, der für Krupp das Rohrrücklaufgeschütz erfunden hatte.

Heinrich Ehrhardt, Vollwaise aus Zella (1840-1928), aus einer Büchsenmacherfamilie stammend, bringt es zum freiberuflichen Ingenieur, der 1873 mit 33 Jahren in die Röhrenstadt Düsseldorf zieht. Ein Auftrag des Kriegsministeriums, Mantelgeschosse herzustellen, wird vom Hörder Hüttenverein an Ehrhardt weiter gegeben, der hierfür eine neue Firma gründet.

1889 Gründung von Rheinmetall

Mit 300 Arbeitern und 1100 Arbeiterinnen erledigt er den Auftrag in angemieteten Räumen zwischen der Reichsgasse und Talstraße. Gleichzeitig kauft er der Witwe Scheuten einen Acker in Derendorf ab, der dann die Hauptproduktionsstätte werden soll.

1891 gründet er in Rath ein Hammerwerk und 1899 in Reisholz ein Press- und Walzwerk. Vor seinem Konkurrenten Mannesmann hat er die Nase im Wind, denn er kennt sich besser aus in Düsseldorf. 1889 erwirbt er ein Filetstück an der Eisenbahn und 1899 das beste Stück zwischen zwei Bahnen: die IDR Reisholz.

Derendorf Ulmenstraße war billiges Land im Umkreis des tabuisierten Galgengebiets am Spichernplatz. Der "Weg zur Richtstätte" an der Collenbachstraße trifft in einer Gabelung den anderen Feldweg Ulmenstraße (s. Wolfgang Funken 2022, buchtipp-duesseldorfs-galgenplaetze)

Hier stand der Galgen

Auf dieses Tabuland wurde 1893 die Arrestanstalt Ulmer Höh und 1896 der Schlachthof gelegt. Das Militär bekam Scheibenbahnen und später Kasernen (Tannenstraße). Ehrhardt war 1889 der erste Unternehmer in dieser berüchtigten Zone.

Rheinmetall besaß jetzt ein riesiges Gebiet zwischen Eisenbahn, Ulmenstr, Großmarkt und Arrest, einschließlich nördliche Seite der Erhardtstraße, wo der israelitische Friedhof respektiert wurde.
Die Ruhrtalbahn (1866) und die Rheinische Eisenbahn (1874) hatten mit ihren Bahnhöfen den Ort Oberrath wichtig gemacht. Ehrhardt ist hier seit 1891. Die IDR liegt zwischen Cölln-Mindener und Rheinischer Bahn, plus Rheinschiffahrt, plus wichtige Kölner Straße. Besser geht es nicht.

1896 kommt das erste Schnellfeuergeschütz auf den Weltmarkt, hergestellt von Rheinmetall; auch Franzosen und Engländer kaufen dort ein. Das Deutsche Kaiserreich hielt zunächst zu Krupp. Doch bereits 1914 ist Rheinmetall der größte Rüstungshersteller in Deutschland.

Im Krieg schießt Rheinmetall auf Rheinmetall

Die Zahl der Beschäftigten steigt schließlich auf 48 000, weit mehr als alle anderen Düsseldorfer Unternehmen zusammen, die im Schnitt nur ca. 1500 Beschäftigte aufweisen. Auch Mannesmann kommt nur auf 3300.

Der Arzt Paul Boskamp, der eigentlich Leben retten sollte, besingt 1916 das schändliche Geschehen mit den Worten: "Das Werk der Wunder mich umfasste, ich hört ein tausend tönig Lied.
Ich war in Düsseldorf zu Gaste, beim großen deutschen Waffenschmied."

In der NS-Zeit wächst das Unternehmen mit Borsig Lokomotiven zur "Rheinmetall – Borsig AG“, schließlich im Krieg ganz auf Rüstung ausgerichtet mit den "Reichswerken Herrmann Göring" bis auf 80.000 Beschäftigte. Ein Großteil, fast die Hälfte, waren "Zwangsarbeiter", die unter erbärmlichen Bedingungen in Lagern an der Ratherstraße interniert waren.

Nach dem Krieg wurde die Waffenproduktion zunächst gestoppt, also Autobau, aber bald wieder Rüstung und "Wehrtechnik".
- 1956 erstes Produkt: das MG 42
- 1990 größtes Testzentrum Europas in der Außenstelle Unterlüß (Lüneburger Heide)
- Rheinmetall ist heute ein Technologiekonzern mit 25 000 Mitarbeitern an 132 Standorten.

Jede Zeit ist nur aus der eigenen Zeit zu verstehen, sagt man.
Deutschland als traditionelles „Kriegsland“ hat sich nach der letzten Katastrophe geschworen:

„Nie wieder Krieg!“

Jetzt tut man sich schwer mit der "Zeitenwende".

2004 spielten wir Theater im Knast auf der Ulmer Höh. Auf dem Spielplan stand „Die Karawane" unter der Leitung von Rudi Rölleke. Schlimme Erinnerungen wurden wach: Welches Leid hatte dieses Haus gesehen. Es war ja die Nachfolgestätte der Düsseldorfer Richtplätze (Kreuzberg, Golzheim, Flingern, Derendorf, Altstadt) 1936 wurde hier zuletzt hingerichtet.

Aber bei aller Beklemmung gab es auch ein befreiendes Lachen. Ein Mitspieler hatte pathetisch mit ausgebreiteten Armen den Jandl-Text gesprochen:

"Die Sonne scheint"

Prompt kam vom Zuschauerraum die Frage: "Wo denn, es regnet doch?"


Autor: Dieter Jaeger  /  Redaktion: Bruno Reble  /  © Geschichtswerkstatt Düsseldorf 2022

Anmerkung aus der Redaktion: "Im Krieg schießt Rheinmetall auf Rheinmetall". Das heißt konkret,
mit Waffen von Rheinmetall zerschießen sich die Soldaten auf beiden Seiten der Front die Knochen, während gleichzeitig in der Konzernzentrale die Gewinne explodieren und die Sektkorken knallen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen