Mittwoch, 3. Oktober 2018

Der Corneliusplatz - die alte Mitte


oder wie aus einem hässlichen Aschenputtel eine strahlende Prinzessin wird

Der Künstler Peter Cornelius, ein „Hippie“, der in Rom in einer WG lebte, langhaarig und bleich wie Jesus, bekommt in Düsseldorf ein großes Denkmal. Während der „Halbjude“ Schadow nur mit einer Büste bedacht wird, der „Volljude“ Bendemann nur mit einer winzigen Straße.
Wenn der Martin-Luther-Platz die "Neue Mitte" ist, dann ist der Corneliusplatz die "Alte Mitte". Auf allen Postkarten sieht man ihn, er ist der "Potsdamer Platz" von Düsseldorf, ein Gewusel an der Kreuzung Kö-Schadowstr, das Gebäude „Nummer 1“: der Kaufhof, die beiden bekanntesten Brunnen, in der Mitte grün-frisch gestrichen: die "schlanke Mathilde", die alte Uhr von 1902. Aber der Corneliusplatz ist ziemlich jung. Der Schadowplatz ist älter und am Anfang war er nur ein Canal.

Nach dem Mauerfall

Huschberger baute die Kö zwar 7 Jahre vor der Heineallee, aber die Kö stand lange im Schatten des Boulevard Napoleon, “JWD“ (Janz Weit Draußen) vor der neuen Zollmauer. Keiner wollte dort wohnen. Die neue Zollmauer war der Canal, das Wasser, das die Leute nach dem Fall der Mauer 1801 zwar schützte, aber auch trennte vor denen da draußen, den Fremden.
Huschberger wollte den Canal eigentlich um die ganze Stadt ziehen, mit der krummen Landskrone (krummer Köbogen) ging es nach Norden weiter. Der Bogen war notwendig, weil der Mühlenweiher ein Teil des alten Hofgartens geworden war, also „Heiliges Land“.
Vagedes baut 1811 sein Ratinger Tor ursprünglich auf einer Brücke über den Canal, der in den neuen Hafen münden sollte. Aber im Süden wurde es schwierig mit der Kanalisierung um Düsseldorf herum. Die vornehmen Häuser entstehen alle auf der Heinrich-Heine-Allee: Hotel Breidenbach, das Theater, die Oper, das Gymnasium, die Kunsthalle. Später kann nur die Heine-Allee die Denkmalstraße werden.

Die Kö war Hinterhof

gerade gut genug, als Bahnhofstraße zu dienen, als die Eisenbahn 1838 am Ende der Kö beginnt. An der Canalstraße (so hieß die Kö zu Beginn) betrieb Franz Schimmelbusch eine Eisengießerei (ungefähr an der Rückseite vom Breidenbacher Hof).
Es ist verständlich, dass man keinen Zugang zur Kö von der Heineallee wollte, auch keinen Zugang von der Schadowstraße (sie endete am Kälbermarkt). Der Canal ging brückenlos durch, von der Elberfelder- bis zur Benrather Straße. Häuserblöcke versperrten die uralte Verbindung Flingerstr - Flinger Steinweg (Schadow), allerdings auch zwischen Flingerstr und Heineallee. Man hatte die uralten Wege längst vergessen.
So blieb nur der Kälbermarkt, ein Viehmarkt draußen vor der Stadtmauer, als einzige Verbindung.
Und etwas weiter südlich gab es seit 1766 den Friedhof. Also sollte man dort wohnen? Am Viehmarkt, am übel riechenden Canal, hinter zwei wackligen Holzbrücken an der Eisengießerei?

Ein Lustgarten für den Polizei-Chef

Der im Verruf stehende Polizei-Direktor Heinrich Schnabel, eröffnete 1806 auf dem verlassenen Friedhof seinen "Lustgarten" (Eingang: heutige Steinstraße) Aber das war erst der Anfang.
Das Bild wandelte sich ganz allmählich. Der Jägerhof war seit 1820 mit Prinz Friedrich von Preußen wieder bewohnt, eine Art neuer Jan Wellem. Der preußische König Friedrich Wilhelm III besucht ihn. Die Umgebung wird veredelt. 1838 baut Schnitzler das Friedrichsbad in der Goltsteinstraße, eine erste Sauna, die Loge sitzt in der Wiese hinter dem Kälbermarkt.
Die Elberfelder- wird zur feinen Gallerie- und Gastrostraße, die Hofgartenstr zur vornehmsten Straße überhaupt. Der Flinger Steinweg wird 1851, noch zu Lebzeiten des Malers, Schadowstraße genannt.
1864 stellen die Düsseldorfer auf dem Kälbermarkt ein Schadowdenkmal auf. Der Markt heißt jetzt Schadowplatz. Dann besinnt man sich auf den Vorgänger, den Düsseldorfer Cornelius und gibt ihm ein noch größeres Denkmal. Das ist die Wende. Der Canal wird zugeschüttet.

Der Corneliusplatz entsteht

Noch einmal den Blick zurück: Wenn man vor 1800 die Stadt verlassen wollte, ging man zum neuen Flinger Tor (heute: McDonald Bolker Stern), das seit 1645 das alte Flinger Tor (Ende Flingerstr) ersetzt hatte. Über eine Brücke kam man in das Flinger Ravelin [ravəˈlɛ̃ː] Dieses vorgelagerte Bauwerk, mitten im Wasser zum Schutz des Tores, ist das größte Bollwerk überhaupt.
Über eine Brücke (Wassergraben 30m, 7m tief) ging es zur Flinger Contergarde; von hier (ungefähr Kaufhof Haupteingang, Corneliusplatz) auf verschlungenen Wegen ins Freie. Dieser letzte Ausgang befand sich ungefähr am Ort der Uhr (etwas östlich davon). 
Von dort konnte man den alten Flinger Steinweg durch den heute noch existierenden Wurmfortsatz, der späteren Blumenstraße, betreten. Die kleine Blumengasse war das Ziel aller Feld- und Gartenwege, die später unsere City ausmachen. Nur hier ging es hinein in die Stadt, wenn man von Osten kam, die anderen Eingänge (Ratingerstraße und Bergerallee) lagen weit weg. Goethe, Heines Eltern, der Weltreisende Georg Forster, zusammen mit Alexander von Humboldt, sie alle mögen diesen Weg gegangen sein. Wer von Osten kam, musste durch dieses Tor.
Wenn 1806 (5 Jahre nach dem Mauerfall) Joachim Murat, Chef von Düsseldorf in der Franzosenzeit, in 20 Minuten nach Schloss Benrath ritt, dann ging das vom Benrather Tor (auf dem Canal) im Galopp durch wildes siedlungsfreies Land bis zum Lokal Schnapp an der Kölner Straße in Oberbilk. Und dann war er schon fast da.
Huschberger machte aus den Trümmern des Flinger Ravelins die Elberfelder Straße, die geradewegs vom Flinger Tor kam und zum schon früher existierenden Kälbermarkt führte, eine nördlich Abzweigung. Der alte Umgehungsweg der Festung, wird zur Hofgarten- Kaiserstraße. Auf die Elberfelder-, genau auf die Spitze des zerstörten Ravelins, setzte Vagedes den Napoleon Triumphbogen 1811. Später wird genau hier der Triumphbogen für Kaiser Wilhelm II gesetzt. Erst 1811, nach dem Besuch Napoleons, baut Vagedes die Heineallee und das berühmte Ratinger Tor.

Warum fing Huschberger mit der Kö an und nicht mit der Heine-Allee?

Kaspar Anton Huschberger, der erfahrene Baumeister, der schon beim Bau der Karlstadt mitgeholfen hatte, musste 1801 nach der Demolierung der Stadtmauer durch die Franzosen zunächst die Wasserversorgung klären. Er schuf einen Canal, der ungefähr an der Stelle des Umgehungsweges der Festung vom neuen Hafen (Roeberstr / 1811 fertiggestellt) über Kaiser- /Hofgartenstr / Kö / Haroldstr bis zum Rhein führen sollte (an Stelle des heutigen Apollo). Dieser Canal war die neue Stadtmauer mit Zollgrenze und Wachhäusern auf den beiden Canalbrücken (Elberfelder- und Benrather Straße).
Huschberger gab damit der Stadt Düsseldorf eine neue Bedeutung: Sie war nun von der Düssel eingekreist, eine wirkliche "Düsselstadt". 
Es gab noch einen zweiten Grund: die Kurtine, also der Stadtwall, die eigentliche Mauer zwischen den Bastionen (heute Heineallee) war stehen geblieben. Die Düsseldorfer wollten eine Promenade hoch oben errichten. Außerdem wollte man bei Hochwasser auf diesen hohen Wall flüchten. Huschberger bewies, dass das natürliche Niveau auf der Heineallee um einiges höher lag als der Wasserstand der schlimmsten Rheinkatastrophe. Er wollte auch das Runtergucken ins Elend der Neustraße vermeiden.
Der dritte Grund: Herr Beuth, Hofkammerrat, saß mittlerweile auf der "Beuthschen Bastion", mitten auf der neuen Breitestraße, die seinetwegen nicht weiter nach Norden gezogen werden konnte. Das Wilhelm-Marx-Haus, eine Art neuer Sperrblock a la Beuth, erinnert uns daran: die Heine-Allee endet hier.

Wo es 1879 angefangen hat

Mit dem Cornelius-Denkmal geht alles los. Man setzte es zwischen Hofgarten- und Elberfelder Straße. Es stand später mitten vor Steigenbergers Parkhotel (1902). Die Nazis schoben es 1937 in den Wald, um Platz für ihre Aufmärsche zu bekommen. Heute kann man es wieder von allen Seiten bewundern.
Der Düsseldorfer Peter Cornelius, in der Kurze Straße geboren, ist einer der berühmtesten Maler seiner Zeit und leitet von 1822-26 als erster Direktor die neu erstandene Kunstakademie. Er war ein frommer Lukasjünger. Daher ist bei seinem Denkmal die Figur der Religion verhüllt, mit Bibel und Kreuz, aber gleich daneben ein schönes Nackedei, das die Poesie darstellt. 
Der Verschönerungsverein machte aus dem zugeschütteten Canal unseren Corneliusplatz. Jetzt werden alle alten Zugänge wieder geöffnet: Bazarstr (heute Körner-) zur Heineallee, Schadowstraße zum alten Flinger Steinweg.
Leo Mösch schuf 1882 den Schalenbrunnen auf dem noch leeren Corneliusplatz. 1902 zur Eröffnung der großen Ausstellung schuf Fritz Coubillier den Tritonen-Brunnen. Triton, Sohn des Meeresgottes Poseidon, tötet hier einen gigantischen Fisch. Die lustigen Putten mildern das grausame Geschehen.
1909 schuf Joseph Maria Olbrich den Kaufhof, der mit seiner Jugendstil-Fassade zum Denkmalschutz-Objekt Nr.1 avancierte.
Peter Cornelius, ein Jünger des frommen Lukasbundes, ein "Nazarener" mit langen Jesushaaren, weilte, wie auch Schadow, im heiligen Rom. Aber - und das macht ihn sympathisch - er war dem Irdischen nicht abhold. Von seiner Ehefrau, einer feurigen Italienerin, sagte ein Zeitgenosse:

"Nie sah ich einen schöneren Oberleib."


Autor: Dieter Jäger  |  Redaktion: Bruno Reble  |  © www.geschichtswerkstatt-duesseldorf.de




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